Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Schon auch rechtsradikal
Ich verfolge ja weißgott (gottlob) nicht alles, und vielleicht war einer ja noch schneller als der Dresdner Professor Werner J. Patzelt in der FAZ, auf den unbedingt nötigen Gedanken zu kommen, daß Protest gegen Pegida auch bloß wieder diese leidige Politkorrektheit wär’: „Woher kommt jenes Triumphieren, wenn ein Pegida-Zug durch Straßenblockaden gestoppt, eine Pegida-Kundgebung durch Trillerpfeifen übertönt, eine Pegida-Versammlung durch schiere Übermacht der Gegner verhindert wurde? … Und was macht die anderen so zornig über ihre Deutung durch Gegner und Medien, so wütend über das Verhalten gegen sie, daß ihr lautes ,Wir sind das Volk!’ vor allem nach Trotz, kaum nach Stolz klingt? … Man selbst gehört natürlich zu den Anständigen, sonst zöge man ja nicht in den Kampf … Derlei Selbstempfinden scheint nach besonders klarem Ausdruck zu verlangen. Wohl deshalb sind, wo immer sie aufeinandertreffen, Antipegidisten viel lauter als die Pegidianer. Zudem wird bei No-Pegida stilvoll ,gerufen’, bei Pegida aber stillos ,gebrüllt’. So wenigstens liest man es anderntags in der Zeitung.“
Denn das legendäre linke Meinungskartell, das gibt es nach wie vor: „Die Macht zu deuten, was rechts wäre, haben wir denen überlassen, die sich links oder mittig geben. Was einmal als ,rechts von der Mitte’ gilt, sehen wir schon in Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus, Rechtsextremismus, Faschismus abrutschen … Gut ist hingegen, wer – und was – den Faschismus bekämpft. So entstand ein gefühlt klarer Kanon dessen, was an Betrachtungsweisen, Begriffen, Sprachformeln und Argumenten in Deutschland ,geht’ oder eben ,nicht geht’. Wer sich daran hält, darf am öffentlichen Diskurs teilnehmen. Wer sich gegen diesen Kanon vergeht, ist auszugrenzen – und sei es als ein ,Latenznazi’, der einfach nicht weiß, was er wirklich ist.“
Es ist also wieder mal die politische Korrektheit, die aus einer ganz normalen Meinung eine rechte Meinung macht, und die politische Korrektheit, sie wohnt in der Tagesschau und im Leitartikel, wo man tatsächlich darauf achtet, daß die Exportnation Deutschland immer dann offiziell den Kopf schüttelt, wenn rechts von der Mitte Asylbewerberheime belagert werden. Viel linker wird es dann aber nicht, und wenn es stimmen mag, daß „Journalisten eine im Durchschnitt linkere Einstellung als die Bevölkerung“ haben, dann hat das nichts mehr mit früheren Rotfunkhäusern wie dem Hessischen Rundfunk vor 1990 zu tun; wer auf Youtube sieht, wie Väterchen Degenhardt einst im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die kommunistische Klampfe schlug, der darf zu dem Schluß kommen, daß der linke Medien-Mainstream, der den Leuten so konsequent das Maul verbietet, höchstens noch bedeutet, daß man Schwarze nicht Neger nennen soll.
„Das Volk steht auf, der Sturm bricht los.“ Körner, 1813
In Dresden, so erfahren wir, laufen „schon auch Rechtsradikale“, im übrigen aber „Arbeiter und Angestellte“, mithin „ganz normales Volk“, dessen Überzeugungen sich aber nicht gegen Springer, Stern und ZDF gebildet haben, sondern, bei allem Furor gegen die sog. Lügenpresse, mit ihnen, und sei es nur in der sommermärchenhaften Sitte, „Fahnen [zu] tragen, mit denen wohl auch die Leute von links und aus der Mitte bei Fußballturnieren zum Public Viewing gehen. Und die um Schwarz-Rot-Gold Versammelten rufen nichts Schlimmeres als ,Wir sind das Volk!’“. Und das Volk, dies die Quintessenz, ist der Souverän, und der Souverän hat seine Meinung, einfach so, unvermittelt, aus sich heraus, und wer diese Meinung für rechts hält, der denunziert den „Volkswillen“ (Patzelt), der dann eben, als „Magma unrepräsentierten Volksempfindens“, zum Ausbruch drängt: „Unterdrücken wird sich solcher Vulkanismus auf Dauer nicht lassen.“
Der Patzelt versteht’s als gutgemeinten Rat „zum Wohl unseres Landes“ und „unserer pluralistischen, repräsentativen Demokratie“. Mir klingt es eher wie eine kleine faschistische Phantasie, die an genau jenem Diskurs teilnehmen darf, der derlei doch, dachte ich, so streng verbietet.
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