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Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Nordkorea, diskutabel

Im nächsten Jahr wird diese Kolumne, rechnet man ihre Vorgängerin hinzu, zehn Jahre alt, und zehn Jahre lang wird es immer dasselbe gewesen sein: Ein dummes Zitat aus der Qualitätspresse, dann Adorno oder Haffner, fertig.

Zehn Jahre sind freilich nichts gegen die Zähigkeit, mit welcher der bürgerliche Leitartikel sich durch die Zeiten argumentiert, und zwar womöglich sogar noch variantenärmer, als selbst ich es vermag. In Berlin drängt eine Initiative auf einen Volksentscheid, um die Verstaatlichung privater Wohnungsgesellschaften zu erwirken, etwa der „Deutschen Wohnen“, der allein in Berlin die sagenhafte Menge von 100 000 Wohnungen gehört. „Zunächst“, sagt da der Leitartikel, „hört es sich an wie eine spätsozialistische Rachefantasie“; jedoch: „Die Verstaatlichung privaten Eigentums ist kein Willkürakt, sondern unter bestimmten Rechtsannahmen diskutabel.“ Gleichwohl: „Gleichwohl wäre es absurd, würde man die private Wohnungswirtschaft auf diese Weise enteignen, um aus der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland eine Art Immobilien-Nordkorea zu machen.“

„Gé-nau“ (Herr Alfred), denn es geht gewiss anders, aber so geht es auch: „Die Lösung der Wohnungskrise liegt in der gerechten Nutzung von Wohnraum und einem sozialen Bodenrecht. Ohne den Neubau von Wohnungen wird es nicht gehen. Und der kann nur mit den Bürgern, aber nicht gegen ihren Willen durchgesetzt werden. Partizipation ist daher das Gebot der Stunde. Politik und Bauwirtschaft müssen das verloren gegangene Vertrauen zurückerobern. Das wird schwer – aber es ist der einzige Weg.“ Was wir also brauchen, ist mehr Gerechtigkeit. Dazu muss besseres Recht geschaffen werden. Der Neubau von Wohnungen schadet gewiss auch nicht, und hier müssen die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden dürfen, damit sich das Vertrauen in die Demokratie recht bald wiederhergestellt finde. Leicht ist das nicht, und es wird seine Zeit dauern, aber Politik und Bauwirtschaft verdienen unser Vertrauen, und anders geht es nun einmal nicht.

„Alles, was der Feind bekämpft, müssen wir unterstützen; alles, was der Feind unterstützt, müssen wir bekämpfen.“ Mao, 1939

Geht es, was mich betrifft, freilich doch, aber im Gegensatz zum süddeutschen Architektur-Redakteur bin ich nicht gehalten, die Auslieferung von Grundbedürfnissen ans Großkapital noch dann zu verteidigen, wenn selbst in der eigenen Zeitung ständig steht, wohin das führt. In meiner Welt muss es Mietwohnungskonzerne sowenig geben wie solche für Lebensmittel oder Versicherungen; will man diese Welt aber behalten, etwa weil man selbst für eine Medienholding arbeitet, dann soll, wer in München oder sonstwo sein halbes Einkommen fürs Wohnen ausgibt, die Idee nicht gut finden dürfen, dass 100 000 Stadtwohnungen der öffentlichen (oder irgendeiner genossenschaftlichen) Hand gehören könnten, damit sich niemand vor dem Schicksal jener kleinen Leute fürchten muss, denen, es stand im Lokalteil, in Nordschwabing ein Wohnkonzern die Bude sanieren will, um hernach die Miete zu verdreifachen. Also schreibt man „Immobilien-Nordkorea“, so wie man in anderen Fällen „Bautzen“ schreibt (oder die üblichen CDU-Granaten, präsentiert die Umweltministerin einen Plan zur Klimarettung, „Planwirtschaft“ krähen), und überlässt den Rest dem guten demokratischen Gang, der, muss er zwischen Geld- und Lebensinteressen wählen, noch stets die richtige Entscheidung getroffen hat.

Zwei Tage nach diesem leidenschaftlich lehrbuchhaften Leitartikel verteidigt ein Kollege an gleicher Stelle die Entscheidung der ARD, sich durch linguistische Expertise aus der Framing-Falle („Staatsfunk“) führen zu lassen: „Gegner von Information und Aufklärung gibt es links und rechts … Wer andere Ansichten vertritt, soll als Feind empfunden werden.“

Falls nicht als Nordkorea.




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Briefe an die Leser

 Keine Frage, DHT Speditionsgesellschaft,

steht da auf Deinen Lkw, sondern eine Aussage: »Lust auf Last«.

Als Du damit auf der Autobahn an uns vorbeirauschtest, waren wir erst mal verwirrt: Kann man wirklich Lust auf etwas haben, was laut Duden »durch sein Gewicht als drückend empfunden wird«? Erst dachten wir noch, dass Du vielleicht was anderes damit meinst. »Last Christmas, I gave you my heart«, »Last uns froh und munter sein«, »I last my heart in San Francisco« – irgendwie so was.

Aber offenbar behauptest Du tatsächlich einfach, dass Du Spaß an der monotonen und zermürbenden Aufgabe hättest, dem Kapitalismus seine Waren über die stinkenden Autobahnen zu fahren, dabei Sonntage auf zugepissten Autohöfen zu verbringen und Dich beim Überholmanöver von Teslas und Audi A-Sonstwas anhupen zu lassen. Diese »Lust« wünschen wir Dir von ganzem Herzen, aber vermuten doch ganz stark, dass Dir der Spruch von jemandem auf den Lkw diktiert wurde, der bei der Berufswahl »Lust auf Marketing« hatte und seine Mittagspausen nicht in der Fahrerkabine, sondern beim Bagel-Laden in der Innenstadt verbringt.

Fahren an der nächsten Ausfahrt ab: Deine Leichtgewichte von Titanic

 Really, Winona Ryder?

Really, Winona Ryder?

In einem Interview mit der Los Angeles Times monierten Sie, dass einige Ihrer jungen Schauspielerkolleg/innen sich zu wenig für Filme interessierten. Das Erste, was sie wissen wollten, sei, wie lange der Film dauere.

Wer hätte gedacht, Ryder, dass Sie als Kind aus der Glanzzeit des Fernsehkonsums einmal die Nase rümpfen würden, weil junge Menschen möglichst wenig vor der Glotze sitzen und sich stattdessen lieber bewegen wollen? Davon abgesehen: Sind Sie sicher, dass sich die Abneigung gegen Cineastisches und das Verlangen, bereits beim Vorspann die Flucht zu ergreifen, nicht nur auf Werke beziehen, in denen Sie mitspielen?

Fragt sich Ihre Filmconnaisseuse Titanic

 Puh, Lars Klingbeil!

Gerade wollten wir den Arbeitstag für beendet erklären und auch die SPD mal in Ruhe vor sich hin sterben lassen, da quengeln Sie uns auf web.de entgegen, dass es »kein Recht auf Faulheit gibt«. Das sehen wir auch so, Klingbeil! Und halten deshalb jeden Tag, an dem wir uns nicht über Ihren Populismus lustig machen, für einen verschwendeten.

Die Mühe macht sich liebend gern: Titanic

 Gut gehobelt, Noemi Molitor (»Taz«)!

»Unser Handwerk im Journalismus ist die Sprache. Bei genau diesem Werkzeug lohnt es sich also, genau hinzuschauen und auch ethische Fragen an orthografische Regeln zu stellen.«

Die Sprache: Handwerk und Werkzeug in einem. Wird auch nicht besser mit dem Fachkräftemangel, wie?

Schaut genau hin: Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Alle meine Aversionen

Was ich überhaupt nicht schätze:
»Mädchen, ich erklär dir ...«-Sätze.

Was ich nicht so super finde:
Bluten ohne Monatsbinde.

Was ich gar nicht leiden kann:
Sex mit einem Staatstyrann.

Den Rest, auch Alkoholkonzerne,
mag ich eigentlich ganz gerne.

Ella Carina Werner

 Mitläuferin? Ganz im Gegenteil!

Meine Oma fuhr im Widerstand Motorrad.

Andreas Maria Lugauer

 Jeder kennt ihn

Die Romantrilogie auf der Geburtstagsfeier, das Raclettegerät auf der Taufe, die Gartenfräse zur Beerdigung: Ich bin der Typ in deinem Bekanntenkreis, der dir geliehene Sachen in den unmöglichsten Situationen zurückgibt.

Leo Riegel

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
14.10.2024 Augsburg, Parktheater im Kurhaus Göggingen Hauck & Bauer und Thomas Gsella
15.10.2024 Tuttlingen, Stadthalle Hauck & Bauer und Thomas Gsella
16.10.2024 München, Volkstheater Moritz Hürtgen mit Max Kersting und Maria Muhar
16.10.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner