Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Kein Pardon
Eine Zeit ohne Hauptthemen ist eine Zeit für die Nebenthemen. Ein schönes wäre, warum die AfD-internen Konkurrenten Lucke und Petry, diese protestantischen Leistungsmonster mit je vier prächtig gymnasialen Kindern, die alle schwierige Instrumente spielen (vermutlich), gleichermaßen so unsympathisch sind und ob das ein Hinweis darauf ist, daß es Luther gebraucht hat, um aus romanischem Faschismus deutschen Nationalsozialismus zu machen (Kirchentag, aufgepaßt bzw. andiskutieren!); oder warum Jürgen Kaube, der in der FAZ gerechte Klage über die „abstrakte Gottheit Bildung“, den Zertifikats- und Kompetenzwahn und die Ökonomisierung der Schulen führt, dann doch wieder bloß das gute alte Gymnasium für seinesgleichen zurückhaben will (Klassengesellschaft); oder warum lt. FAZ von gestern der „Panda-Rapper Cro manchmal den Karriereknick fürchtet“ (weil’s am Ende doch noch eine Gerechtigkeit gibt?).
Vor diese schönen Themen schiebt sich leider ein nicht so schönes: „Israel fürchtet neue Boykotte wegen seiner Palästinenserpolitik“, meldet die Morgenzeitung, was heißt, daß wir die alten Boykotte schon wieder verdrängt hatten. „Seit nunmehr zehn Jahren schon trommelt die von palästinensischen Gruppierungen ins Leben gerufene sogenannte BDS-Bewegung lautstark und weltweit dafür, mit ,Boykott, Desinvesitition und Sanktionen’ die israelische Besetzung des Westjordanlands zu bestrafen. Einige Erfolge“, das schreibt der SZ-Korrespondent Münch wirklich so hin: Erfolge, „wurden bereits erzielt. Supermarktketten in verschiedenen europäischen Ländern verbannten Produkte aus den israelischen Siedlungen aus den Regalen, niederländische und skandinavische Investmentfonds zogen sich aus Geschäften mit israelischen Banken zurück, der Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters agitiert recht erfolgreich für den Kulturboykott, und auch Wissenschaftler wie der britische Astrophysiker Stephen Hawking machen explizit einen großen Bogen um Israel. In Großbritannien und den USA haben sich große Studentenverbände der BDS-Bewegung angeschlossen. Und bei der jüngsten Konferenz des Weltfußballverbandes Fifa in Zürich konnte ein Ausschluß-Antrag gegen Israel erst in letzter Minute von der Tagesordnung gefegt werden.“
„Die Verfolgung der Juden, wie Verfolgung überhaupt, ist von solcher Ordnung nicht zu trennen. Deren Wesen, wie sehr es sich zu Zeiten verstecke, ist die Gewalt“. Adorno/Horkheimer, 1944
Kauft nicht beim Juden; und dann sich aber wundern, wenn Israel stetig „weiter nach rechts rückt“ (SZ), weil zwar 99 Prozent des Unrechts auf der Welt geschluckt und hingenommen, wenn nicht freudig unterstützt werden (von niederländischen und skandinavischen Investmentfonds z.B.), es bei Israel aber kein Pardon und kein Verständnis gibt noch den geringsten Willen, die Schuldfrage anders zu beantworten, als es ins „israelkritische“, antisemitische Weltbild paßt. 70 Jahre ist Auschwitz her, und während Großdeutschland das beliebteste Land des Universums ist, wird Israel mit jedem Monat einsamer, rechter, bornierter. Die freie Welt des freien Individuums, sie ist eine bis auf den Grund unfreie, wo an Juda ein Mütchen zu kühlen ist, immer noch und immer wieder: „Die antisemitische Verhaltensweise wird in den Situationen ausgelöst, in denen verblendete, der Subjektivität beraubte Menschen als Subjekte losgelassen werden … Im läppischen Zeitvertreib des Totschlags wird das sture Leben bestätigt, in das man sich schickt“ (Dialektik der Aufklärung). Die einen wissen schon nicht mehr wohin mit ihren Tätowierungen, die anderen boykottieren Orangen aus Bethlehem: so strampeln sie, damit irgendein Ich sei, das mehr wäre als die Summe aus I-Phone, Flatscreen, Trend und Lifestyle.
Es hört und hört nicht auf, und damit es aufhöre, muß nicht Israel aufhören, sondern alles andere. (Das ist nicht mal Ideologie, das ist bloß Empirie.)
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