Gärtners kritisches Sonntagsfrühstück: Ihre letzte Chance – Trump
Mir fällt zu Trump nichts eins; auch weil der ARD-Demoskop Schönenborn, den sie nach jeder Wahl loben, weil er immer so schön nüchtern sei, etwas fallenließ, was bereits alles sagte. Zwei Lager gebe es in den USA: Das eine habe Angst vor der Zukunft, das andere nicht, und diesem seien die Ängste des ersten ganz egal.
Wer vom Rathaus kommt, ist freilich immer schlauer, aber falls es stimmt, daß die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden, dann darf es doch eigentlich kein „Schock“ (Uschi v. d. Leyen) sein, wenn die wachsende Zahl der Armen oder von Armut Bedrohten lieber einen rechten Demagogen wählt als die Vertreterin eines liberalen Establishments, dem die Probleme der unteren Bevölkerungshälfte (von der Krankenversicherung vielleicht abgesehen) weniger wichtig sind als die eines juste milieu, das sich nicht um seine Stromrechnung sorgt, sondern darum, wo der Strom herkommt. Kollege Dath, der weiß, daß zum Überbau die Basis gehört wie der White trash-Malocher zum Loft im Meatpacking District, nannte Obama in der FAZ einen „ethischen Erzieher, der mahnt: Bekehrt euch zur Krankenhilfe nach dem Solidarprinzip, zu nachhaltiger Energie als Klimaschutzmaßnahme, zur Achtung der Würde auch von Gefangenen, zur internationalen Politik des Ausgleichs anstelle von Vorherrschaftsarroganz, zu Kosmopolitismus, Antirassismus, Antisexismus, wie ihn die Gebildeten und Toleranten in New York schon lange lieben und leben.“
Denn wo keine Gefahr ist, braucht es das Rettende nicht, und also waren acht Jahre unterm Überbaulöwen Obama nicht mehr (aber auch nicht weniger) als Wahlkampf für Trump: „Das Krankenversicherungsprojekt endete in der Praxis als unentwirrbares Knäuel von desaströsen Deals mit Gesundheitsunternehmen wie Humana, United-Health Group und Wellpoint. Den Weg zur grünen Energie säumten Absprachen mit Konzernen wie General Electric und Duke Power, die sich die Erfüllung neuer Auflagen leisten können und so die schwächere Konkurrenz aus dem Feld drücken, deren Belegschaft damit auf der Straße steht und die Statistik in Richtung der schlechtesten Beschäftigungsquote seit den Siebzigern verschieben hilft. Die bessere Behandlung Terrorverdächtiger faßte der Lehrer in der Ankündigung zusammen, Guantánamo zu schließen – man wartet noch heute darauf. Die Politik des Ausgleichs führte von einer wunderschönen Rede in Kairo zu Drohnentod, NSA-Skandal und einem Riesenmilitärbudget. Das zivilisatorische Vorbild New York schließlich ist eine Stadt, in der die Chancenungleichheit durch de facto segregierte Schulen eklatanter ist als in manchen Regionen des rückständigen Südens, während die Berufsmöglichkeiten für weiße Mittelstandsfrauen in der Weltmetropole des liberalism vor allem von nichtweißen Nannies verbessert werden.“
„Die Leute wurden erst von den Konzernbossen hintergangen und dann von den Politikern belogen. Kein Wunder, daß sie Trump wählen.“ Ein Gewerkschafter in Ohio, 2016
Was ich und das Publikum für selbstverständlich halten, ist selbstverständlich bloß für die, für die es selbstverständlich ist, wie die Entscheidung gegen das „Establishment“ nicht allein von der Wut über die hauptstädtische Erfüllungspolitik getragen wird, sondern auch von der Arroganz der Gebildeten und Toleranten, die ausblendet, daß andere diese Vorzüge bezahlen und im Zweifel dafür noch verachtet werden. Die Trump-Hitler-Vergleiche sind, in vielerlei Hinsicht, Unsinn, aber des Älteren Stilisierung als „Arbeiter“ entspricht Trumps Stilisierung als „Prolet“ (Süddeutsche Zeitung), als einer, der trotz seiner Milliarden die einfache Sicht der Dinge verkörpert, und die allereinfachste ist, daß die Wurst aufs Brot muß. Wer Stunden vorm Regal mit den veganen Ersatzprodukten verbringen kann, teilt diese Sorge nicht, mit uns aber gern die Ansicht, dieser Präsident sei nicht seiner.
Ob der Vorwurf, der darin schwingt, schon der Grund für Trumps Erfolg sei, wäre aber eine so gute Frage wie die, wer (und was) die Prolos macht, die letztlich Prolos wählen. „Am Wahltag machten sie ihr Kreuz bei ihm – was hatten sie denn schon zu verlieren?“ (SZ)
Noch ’ne gute Frage.
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