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Gärtners kritisches Pfingstsonntagsfrühstück: Under Pressure oder Der Rest vom Fest

Mir fliegt viel zu, und ich habe drei Ablagen dafür: Eine ist der Papierkorb, die zweite das sog. Archiv (ein Leitzordner), und die dritte ist ein kleiner Stapel rechts von mir, wo im Zwischenreich Sachen liegen wie das Taschenbuch, das ich gestern aus einem der zahllosen Entrümpelkartons gezogen habe: „Trag immer ’ne saubere Unterhose! … und 31 weitere Möglichkeiten, wie deine Eltern dir sagen: ,Ich hab dich lieb!’“ Und das ich jetzt entsorgen kann, denn der Buchtitel richtet sich hoffentlich selbst. Gleich drunter wartet seit Montag, dem 21. Oktober 2019, eine mählich ins Gelbliche wandernde Zeitungsseite auf besondere Verwendung, und vielleicht verwende ich jetzt einfach mal: „Was wir ausbauen wollen, ist eine gute Art der Komplementärprogrammierung … Das Publikum bei Vox war sehr breit aufgestellt … Das ist ein anderes Mindset … Wir kommen in der Daytime von der weiblichen Seite, aber vor allem in der Primetime machen wir auf … Da ist das Thema Live-TV ein spannendes Alleinstellungsmerkmal … Aber eigentlich ist es ja auch mal ganz spannend, wenn was schiefgeht … Ich glaube da total dran.“ Sagen, neben vielem anderen, die Chefs von RTL und VOX und setzen sich hernach zum Duo-Foto auf ’ne Treppe, in Turnschuh und Supersmart Casual, wegen des kreativen Mindsets.

Die Leute, die die programmliche Bandbreite in Day- und Primetime dann zu sehen bekommen, gehen an einem Corona-Wochentag mit ihren Kindern in den Zoo und sind so angezogen wie daheim, nämlich wie Sascha Schwingel und Jörg Graf. Allerdings tragen Graf und Schwingel keine kurzen Hosen überm Wadentattoo. Im Zoo sind die meisten tätowiert, und die Familienväter, egal wie alt, tragen T-Shirts mit Sprüchen oder Werbung drauf. Die Frauen tragen Telefon. Während dreieinhalb Stunden Zoo sehe ich genau zwei Herren im Sakko, einer davon bin ich. Es ist ein wirklich olles, von meiner Änderungsschneiderin mit objektiver Rücksichtslosigkeit gekürztes, letztlich kaputtes Sakko, das aber das ist, was Frauenzeitschriften „Lieblingsstück“ nennen. In diesem Fetzen bin ich allerdings König. Es ist bemerkenswert, wie viele unansehnliche Markenturnschuhe es gibt. Praktisch niemand trägt etwas anderes.

„This is our last dance / This is ourselves / Under pressure“ Queen/Bowie, 1981

Geht’s auch um Elend, geht’s nicht zuerst um Armut, schon darum nicht, weil das Erwachsenenticket 25 Euro kostet und der Zoo-Parkplatz Gelände-Tiguans und Leder-Volvos einhegt. Es ist dies wohl das zeitgenössische Mindset, das als Komplementärprogrammierung zum waltenden Zwang zu begreifen nahe liegt. „Wert und Rang“, schreibt Susan Sontag in ihrer „Krankheit als Metapher“, wurden im 18. Jahrhundert zu „nicht länger gegebenen Tatsachen; sie mussten durchgesetzt werden. Sie wurden durchgesetzt durch neue Anschauungen über Kleider (Mode) und neue Verhaltensweisen gegenüber der Krankheit. Kleider (die äußere Aufmachung des Körpers) und Krankheit (eine Art inneres Dekor des Körpers) wurden bildliche Ausdrücke für neue Einstellungen gegenüber dem Selbst.“ Geblieben davon ist der ewig junge, pumperlgsunde Körper, an Dekor, ob innen oder außen, besteht kein Interesse mehr, es sei denn, es betont das Körperliche, so wie das muskulöse, PS-kräftige Fahrzeug es tut. Bildung ist, als ästhetische, Körper-Bildung, und ernstlich dick sind die wenigsten, das Stilideal ist ja der Fußballer oder die Sportlerin. Sie haben Wert und Rang als reine Verkörperungen des Arena-Kapitalismus, der nur 1 Möglichkeit kennt, dass wir von ihm hören: Ich hab dich lieb.

Eleganz, lautet die bekannte Definition Hemingways, ist „grace under pressure“. Wie es aussieht, können die Leute nicht mehr. „Freizeitmode“, schreibt der linke Schriftsteller Michael Scharang, Jahrgang 1941, in seinem neuen Roman „Aufruhr“, sei Ausdruck und Motor des Endes der Mittelschicht, und man wird nicht sagen können, der vormalige Brioni-Kanzler Schröder entwürdige sich, wenn er sich durchs Sozialnetzwerk schicken lässt, wie er in sportiver Steppweste und mit nackten Armen am Herd steht. Es gibt nichts zu entwürdigen; denn was hier kocht, sind Reste.




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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg