Fabian Lichters Economy Class
The Merkel years
An ihr und mit den auf sie gerichteten Projektionen sind rechte Kräfte dieses Landes vollends wahnsinnig geworden, andere vergaßen darüber gerne einmal, dass es sich bei ihr immer noch um eine Politikerin handelte, die für den Status Quo nicht unwesentlich verantwortlich zu machen war und es natürlich noch ist, die eben nicht einzig zur Repräsentation beordert wurde, so sehr sie einige in der Rolle als deutsche Queen bisweilen überzeugt haben mag. Kein Geheimnis ist, dass Sozialpolitik Merkels Sache nicht war und die Zahlen in Sachen Altersarmut und Kinderarmut seit Jahren beständig steigen. Der neueste Trend lautet überdies Arbeitsarmut (working poor) und verbindet gleich zwei Übel miteinander, von denen beide für sich schon unschön genug sind. Und was die Sache mit der "Klimakanzlerin" angeht – ein alter Hut. Die Ahnung, dass es nach Angela Merkel nicht besser werden würde, dürfte so manchen sonst kritischen Blick getrübt haben, die Fronten gegen sie lagen quer, das tat seinen Teil dazu. Jeder trägt eben sein ganz eigenes Merkelbild mit sich und wird es hinübernehmen in die Nach-Merkel-Welt. Wer es ruhig ausklingen lassen möchte, für den bietet sich derzeit das jener niedlich-naiven Papageien-Oma aus der Stock-Foto-Datenbank an, die sie selbstredend nie war. Bleibt die Frage, ob es in 30 Jahren eine ähnliche Welle an kulturindustrieller Verklärung geben wird, wie sie derzeit den gesetzten Mid-Agern der Gen X verabreicht wird, die in Literatur und Film doch immer noch ihren golden years unter Kohl nachhängen. Werden altgewordene Millennials sich eines Tages noch nach der Ära Merkel zurücksehnen? Die Gefahr besteht. Beim einsetzenden Nostalgiekick dürfte dann allerdings ja auch schon eine lange Scrollminute durch die eigene Timeline genügen. Etwas Fortschritt fand schließlich, wenn auch ohne Merkels Zutun, doch statt in den letzten 16 Jahren.
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