Eine Grußbotschaft von Bundespräsident a.D. Walter Scheel
Sehr geehrte Damen und Herrschaften!
Das runde Leder: Dieser Tage rollt es wieder lustig durch die Fünfte Republik. "Rundes Leder", so haben wir bei der FDP auch heimlich den Kopf des späten Ludwig Erhard genannt. Haha, Witze! Neulich gab es ja die Begegnung Österreich gegen Ungarn, und da fällt mir der folgende Flachs ein. Kommt 'ne Trümmerfrau zum Arzt und sagt: "Heute spielt Preußen Münster gegen Roter Stern Belgrad." Fragt der Arzt: "Gegen wen?" Sagt die Frau: "Ist doch scheißegal, Mann! Der Russe steht vor der Tür, verbrennen Sie Ihre Nazi-Devotionalien, sonst gnade Ihnen Gott!" Hm, da lacht wieder niemand. Nicht mal Mildred, meine ausgestopfte Braunbärin. Wenn sie schlecht gelaunt ist, tut sie so, als würde sie nur Rumänisch verstehen. Ich gebe zu, im Witzeerzählen war ich nie besonders gut, bin mehr ein Freund der feinsinnigen Anekdote. Nicht umsonst gibt es ein Buch mit dem Titel "Typisch Scheel", erschienen 1980 im Witt-Verlag. Die köstlichsten Schnurren sind darin versammelt. Am besten gefällt mir die Geschichte, wie Henry Kissinger und ich 1978 von Margaret Thatcher beauftragt wurden, den argentinischen Außenminister César Augusto Guzzetti zu vergiften – mit Zimt. In hohen Dosen eingenommen, soll Zimt, zumindest bei Ratten, schwere Leberschäden verursachen. Ohne die Wirkung auf den Menschen genau zu kennen, planten Kissinger und ich jedenfalls, dem General jeden Tag 36 Zimtsterne zu verabreichen. Leider wurde er bereits mißtrauisch, als wir ihm zum dritten Mal mit Nachdruck einen Zimtstern anboten ("¡Especialidad alemana!"). Hals über Kopf mußten wir abreisen.
Apropos Thatcher: Heute stimmen die Briten darüber ab, ob sie im Commonwealth bleiben wollen oder nicht. Von mir aus können sie drinbleiben. Wo sollen sie denn auch hin? Auf die Komoren? Und was das wieder kostet! Wir können froh sein, daß der deutsche Bundespräsident indirekt gewählt wird. Das macht eine Ersparnis von 22 Prozent gegenüber einer Direktwahl aus, haben führende Finanzexperten meiner Partei ausgerechnet. Ja, so etwas gab es mal bei uns Liberalen: Finanzexperten. Was die wohl heute machen? Sind bestimmt alle tot. Wenn Gauck weg ist, würde ich mich übrigens noch einmal anbieten als erster Mann im Staat. Bedingung wäre allerdings, daß ich meinen Staubsaugerroboter mit ins Schloß Belvedere nehmen darf! Und jeden Morgen soll eines dieser modernen Pop-up-Restaurants in meinem Korridor aufgebaut werden! Das muß man mal gesehen haben; das muß ja ein Naturschauspiel sein wie die Nordlichter oder das d’hondtsche Höchstzahlverfahren. Bis dahin gehe ich aber ins Bett, schmökere noch ein bißchen in dem Buch "Typisch Kissinger!" und habe stets ein wachsames Auge auf die Weltenläufe.
Herzlich, Ihr
Walter Scheel
◀ | Woran der Brexit heute scheitern könnte | Jetzt ist es amtlich! | ▶ |
Newstickereintrag versenden…