Humorkritik | Februar 2024
Februar 2024
»Wir können die Frage, warum Franz Kafka gelacht hat, nicht beantworten.«
Wilhelm Genazino
Tod durch Bananenbrot
Was würden Sie machen, wenn es nur noch sieben Monate und 13 Tage dauern würde bis zum Ende der Welt? Das ist nämlich der Fall in der Mini-Cartoonserie »Carol & The End of The World«, die gerade bei Netflix zu sehen ist. Darin rast der Planet Keppler 9C auf die Erde zu (was an Lars von Triers »Melancholia« erinnert). Die meisten Menschen entscheiden sich angesichts des nahenden Todes dafür, endlich mal Fallschirmspringen auszuprobieren, mit dem Ballon zu fahren oder auf Partys zu tanzen, und sie tun das mit wenig Angst und sehr viel Lust. Das ist schon mal eine von Serienautor Dan Guterman (bekannt durch »Rick and Morty« und »Community«) hübsch unterlaufene Erwartung: Hier gibt es kein panisches Endzeitgeschrei, alle arrangieren sich irgendwie mit der Situation.
Nackt rumlaufen scheint auch für viele ein Wunsch zu sein, den sie sich jetzt erfüllen können. So auch für die Eltern von Carol Kohl, einer Frau in ihren Vierzigern, allein lebend. Ihre Mutter und ihr Vater erfreuen sich aber nicht nur am Nudismus (und an einer Dreierbeziehung mit ihrem Pfleger), sie haben auch Zeit, sich um ihre Tochter Sorgen zu machen: Denn Carol ist ein stiller Typ, mag keine Aufregung und liebt ihre Routinen. Ihren Eltern macht sie weis, sie würde jetzt Surfen lernen und auch mal was Verrücktes anstellen, dabei sitzt sie lieber vor dem Fernseher oder auf der Parkbank. Bis ihr eines Tages in der U-Bahn eine Frau auffällt, die immer noch Businessklamotten trägt. Carol folgt ihr und entdeckt in einem riesigen Wolkenkratzer eine Etage, in der einige Menschen Buchhaltung betreiben – keiner kann erklären, wozu oder für wen, sie machen es einfach. Die neugierige Carol wird sofort angestellt, schließt sogar Freundschaften und erfüllt die Büroetage mit ihrem eigenwilligen Charme.
Jetzt macht auch sie endlich etwas Verrücktes – etwa eine tagelange Jagd auf dem firmeneigenen Motorrad nach dem einzig richtigen Toner für den Office-Drucker, quer durch alle noch verbliebenen und bereits geplünderten Schreibwarenläden der Stadt. Oder einen gemeinsamen Campingurlaub mit ihrer unternehmungslustigen Schwester Elena, die mit einer Videokamera filmt, während sie ihrer scheuen Schwester Löcher in den Bauch fragt: »Hast du da eben mit den Schultern gezuckt?« – »Ja, aber das ist schwierig mit dem Rucksack auf dem Rücken.«
Die Serie ist von einer flächigen Zweidimensionalität, sodass es tatsächlich über weite Strecken wirkt, als würde man einen Comic lesen. Und sie bietet – sonst schriebe ich nicht darüber – eine Menge feiner, spaßiger Einfälle. Das Schiff zum Beispiel, mit dem Carols Eltern noch einmal auf Weltreise gehen, heißt »Grand Coda«. Zivilisationskritik kommt in kleinen Dosen, etwa mit der Freundin, die, aus Tibet zurückgekehrt, nur Klischees von ihrem »awesome trip« erzählen kann und deren erworbene Sprachkenntnisse sich auf das Wiedergeben von Lauten beschränken, die sie für spirituell hält, die aber übersetzt werden mit »Bitte keine Telefone!«. Wie Carol dann doch auf die Suche nach der idealen Surfwelle geht, was sie dabei lernt und was das alles mit Banana Bread zu tun hat, das schauen Sie sich aber lieber mal selbst an.