Humorkritik | September 2023
September 2023
»Still ruhte wieder alles, und halbbewußt bat Kurtchen, es möge dabei bleiben; er hatte tatsächlich den Eindruck, er müsse beim nächsten Anfall von Humoristik sicher sterben.«
Stefan Gärtner, »Glanz und Elend des Kurtchen Sahne«

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Es kommt nur selten vor, dass ein Entertainer und Performance Artist seiner Zeit nicht nur weit voraus ist, sondern es wie im Fall John Kilduffs auch mehr als zwanzig Jahre lang bleibt.
Kilduff, vor allem bekannt für seinen Youtube-Kanal »Let’s Paint TV«, hat es geschafft. Mit Videos wie »Let’s Paint,Exercise,& Blend Drinks TV!«, »Let’s Paint,Exercise,Cook,& Play Chess TV!« oder »Let’s Paint,Exercise, & Make a Sushi-Gingerbread House TV«, in denen er, wie die Namen schon andeuten, immer versucht, gleichzeitig zu malen, Sport zu treiben und noch was anderes zu machen, dabei natürlich begeistert scheitert, und das alles in der Ästhetik eines schlechten LSD-Trips, wie ihn sich das Öffentlich-Rechtliche wohl ausmalen würde, ist er seit der Jahrtausendwende Avantgarde.
Und das ist auch kein Wunder, konnte doch jede Generation über Kilduffs Videos nicht nur lachen, sondern sie auch als Kritik an ihrer Zeit deuten: Vor zwanzig Jahren erkannten Menschen darin eine Parodie auf Bob Ross’ einschläferndes Gemale (was das Format ursprünglich auch war), Kinder der 2000er sahen in dem in einen schlechtsitzenden Anzug gekleideten, dauerhaft schnaufenden, weil sportelnden Kilduff eine Verulkung der ewig sich abrackernden Ich-AG-Menschen, und aktuell Junge müssen keine Gehirnkapriolen vollbringen, um vom Chaos der Show auf das Chaos der Welt zu schließen.
So konnte sich »Let’s Paint TV« schon 2001 im amerikanischen Public Access TV eine kleine, aber treue Fanbase schaffen, um später mit den (ab 2008 auf Youtube hochgeladenen) Videos auch Millennials zu begeistern, die von den »Dreisten Drei« und deren internationalen Äquivalenten gelangweilt waren. »Most Inspirational Outsider Art Maniac You’ve Never Heard Of«, nannte Vice das 2015. Und auch aktuell erfolgreiche Comedians wie Eric André mit seiner surreal-komischen, seit 2012 laufenden Show, einer Mischung aus Late-Night-Parodie und oft ekligem Prank-Feuerwerk, geben Kilduff als Inspiration an. Was, dank fröhlich-dadaistischem Inhalt und Augen wie Magen verdrehender Retro-Video-Optik, auch für die Generation Z gilt.
Wo John Kilduff allerdings den Underground verlässt und die große Bühne betritt, stößt er auf Widerstand. So geschehen 2007 in der zweiten Staffel von »America’s Got Talent«. Dort wurde er von besagter Bühne regelrecht vertrieben, weil die Entertainment-Industrie, vertreten durch die Jury-Mitglieder Piers Morgan, Sharon Osbourne und David Hasselhoff, mit seinem Auftritt so gar nichts anfangen konnte. Hier mag man Mitleid mit Mr. Kilduff haben, den großen Erfolg und das damit einhergehende Leben in Saus und Braus hätte er gewiss verdient; ich allerdings halte den kleinen Erfolg für den ihm angemessenen. Und wünsche mir und ihm, dass auch in weiteren zwanzig Jahren noch Menschen auf seine Videos stoßen und sich darüber herrlich fasziniert amüsieren können.