Humorkritik | Oktober 2023
Oktober 2023
»His wicked sense of humour / suggests exciting sex.«
Björk, »Venus as a Boy«
In Zeitlupe in die falsche Richtung
Es ist mir nicht entgangen, dass aus Australien immer wieder sehr gute Comedy kommt. Auch die queere Fraktion ist mit Künstlerinnen wie Hannah Gadsby und Zoë Coombs Marr gut vertreten. Die achtteilige Serie »Deadloch« (auf Amazon Prime) ist hierfür ein weiteres und besonders dunkelhumorig schillerndes Beispiel: In dem kleinen tasmanischen Örtchen Deadloch finden zwei Teenager am Vorabend des örtlichen »Winter Feastivals« am Strand eine männliche Leiche; das Opfer ist übel zugerichtet, es wurde erwürgt, seine Zunge zuvor herausgeschnitten. Senior Sergeant Dulcie Collins wird direkt vom Morgensex mit ihrer Frau zum Tatort beordert. Schnell ist klar, dass die kleine Polizeistation mit diesem Fall nicht alleine fertig wird, und so kommt die burschikose Ermittlerin Eddie Redcliffe aus Darwin ins Spiel, zusammen mit einer jungen, etwas naiven Polizistin. Je weiter die drei Frauen jedoch (nach anfänglichem Gekabbel) ermitteln, desto klarer wird (natürlich), dass so ziemlich jeder im Dorf ein Mordmotiv hatte. Und es bleibt nicht bei diesem einen Toten.
In »Deadloch« wird Heteronormativität auf links gedreht, es wimmelt von Klischees – und doch wieder nicht: So ist die Frau, die am offensichtlichsten nach Lesbe aussieht, eben grad keine, während drumherum das Nicht-Heterosexuelle fröhliche Queerständ’ feiert. Der Assistent der Detectives etwa ist eine höchst vergnügliche Adaption von Stephen Stuckers tuntigem Charakter im Zucker-Abrahams-Zucker-Klassiker »Airplane«. Die Serie ist eine Fundgrube an Onelinern und Dialogzeilen, wenn zum Beispiel Redcliffe Ermittlungsergebnisse fordert und meint, die ersten 24 Stunden nach der Tat seien die wichtigsten – worauf ihr entgegnet wird, dass das Opfer jetzt 27 Stunden tot sei. »Ah, you fucked that up already, haven't you?« Oder wenn ein Familienangehöriger vernommen wird und klagt: »I liked that guy like a brother.« – »He was your brother«.
Auch Situationskomik kommt in Tasmanien nicht zu kurz, etwa wenn das Opfer in einer Wagenprozession in die Leichenhalle gefahren wird, in Zeitlupe und mit düster-dräuender Musik, an den Pubs und Restaurants vorbei, in denen der Rest der Stadt schon wieder im Alltag angekommen ist, bis eine Frau ruft: »Hey, Hobart ist in der anderen Richtung!« Worauf, nach einem umständlichen Wendemanöver, der ganze Pulk wieder in ebendieser anderen Richtung an allen vorbeifährt, in Zeitlupe.
Das Drehbuch kommt aus der Doppelfeder des bewährten Duos Kate McLennan und Kate McCartney – nicht verwandt mit den Beatles, sondern bekannt als »The Kates« und durch Shows wie »Get Krack!n« und »The Katering Show«. Ich ersuche dringend jede und jeden, sich »Deadloch« anzuschauen. Oyoyoy, enjoy it, mates!