Humorkritik | Oktober 2023
Oktober 2023
»His wicked sense of humour / suggests exciting sex.«
Björk, »Venus as a Boy«
Der Hohenzollern-Panzer
»Mach Mich Lustig«, »Hab Mich Lieb«, »Versuch Mich, Du Freust Dich«: Ist das 100 Jahre alte Werbung für einen Bordellbesuch? Nein, es ist Reklame für einen Likör, einen Schaumwein und für Zigarren – Sie ahnen richtig: aus der Kaiserzeit. Typisch war sie nicht, »mit solch hausbackenen Namen« konnte man schon damals »kaum punkten«, weiß die Historikerin Eva Giloi in ihrem Beitrag »Monarchie und Markennamen in der modernen Konsumgesellschaft« (im 2022 erschienenen Sammelband »Das Kaiserreich vermitteln. Brüche und Kontinuitäten seit 1918«, bei Wallstein).
Besser punktete beim Publikum vielleicht der »Kaiser-Wilhelm-Schinken«, auch wenn der höchste aller Hohenzollern ihn vermutlich so wenig futterte, wie die Kronprinzessin Cecilie mit den »Dampfmaschinen« und »Treibriemen, die ihren Namen trugen«, etwas anfangen konnte. Historiker können das schon, denn offenherziger als Kunst und Literatur spiegelt den Geisteszustand einer Gesellschaft ihre Werbung. Noch dazu ist sie, aus gehörigem Abstand betrachtet, oft unfreiwillig komisch, und das geschäftstüchtige Katzbuckeln erweist sich sogar als Satire auf ebendiese bürgerliche Servilität und, es ist ein Abwasch, auch auf die überlebte Aristokratie, die statt für Vornehmheit nur noch für Tierfutter, Seife u. dergl. steht. Oder für ein Korsett, den »Hohenzollern-Panzer«.
Voraussetzung war, dass keine Einzelperson kenntlich ist: Der »Viktoria-Verschluss« des Korsetts konnte auf Wilhelms II. Tochter oder seine Mutter oder auch auf seine Großmutter, die Queen, anspielen. Egal, es traf keine falsche. So funktioniert Satire, selbst wenn ihr Witz erst nach über 100 Jahren zündet – und lustig macht!