Humorkritik | Februar 2023
Februar 2023
»Man ist ein Mensch und erfrischt und erbaut sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das ist ein Extrapläsier, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und gedockener vor als man selbst.«
Wilhelm Busch

Jung-Metzger Rühmkorf
Es ist sehr schön, dass der Wallstein-Verlag seine zwölfbändige »Oevelgönner Ausgabe« der Werke von Peter Rühmkorf mit jenem Band anheben lässt, der die frühen literaturkritischen Texte versammelt. Sie waren schon allzu lange nicht mehr zugänglich. Fortgelebt hatte nur die Fama, Rühmkorf habe in seiner Kolumne »Leslie Meiers Lyrik-Schlachthof« (in den Fünfzigerjahren in Konkret und in der legendären Vorgängerzeitschrift Studentenkurier) aufs Grausamste mit den verschnarchten Dichtern der Adenauerzeit abgerechnet.
Nun erfährt man es genau: Begonnen hat der Lyrik-Schlächter Rühmkorf sein wüstes Werk 1953 als Mittzwanziger in der hektographierten Zeitschrift Zwischen den Kriegen, die in winzigen Auflagen erschien. Darin teilte er aus gegen die »konzentrierte Kacke« der »subalternen Seicher«, »Schaumgummigehirne« und »kloakenständischen Affenärsche«, die den Nachkriegsliteraturbetrieb beherrschten. Zu größerer polemischer Form lief er auf, als er die fäkalsprachlichen Ausfälle besser unter Kontrolle hatte und von den Rundumschlägen zur Einzelkritik überging: »Die zeitgenössische Lyrik«, schrieb er 1956, »ist gekennzeichnet durch einen ganz entschiedenen Zug zur Verharmlosung und Verniedlichung, da ist das meiste auf freundlich frisiert, gepflegte Metaphern, adrette Formeln, geschmackvolle Kunstgewerblichkeit; kein gewagter Griff, kein schiefer Ton, kurz und gut: die geschniegelte Mediokrität.« Exemplarisch nimmt er sich dann ein Gedicht von Karl Krolow zur Brust, das mit den Worten anhebt: »Sind Verbenen aufgebrochen? / Welches Duften kommt mich an? / Haben je so wild gerochen / Fieberklee und Baldrian?« Rühmkorf erkannte darin Verse »aus dem Leben eines Vorgartenzwerges. Was für eine Apothekergesinnung macht hier ihre Bemerkungen! ›Welches Duften kommt mich an?‹ – man setze nur noch die die fehlenden Tüttelchen auf das o, und die Zeile ist vollkommen.«
Rühmkorfs Angriffslust boten sich noch viele andere lyrische Objekte dar, und er metzelte sie alle gutgelaunt und elegant nieder. Seine Polemik richtete sich gegen das betuliche Geraune über Muscheln, Krüge, Barken, Grotten, Myrrhe, Zisternen, Ölbaumhügel, Felsenquellen und Kristalle, das damals als preiswürdig galt und inzwischen der verdienten Vergessenheit anheimgefallen ist. Um so lebendiger wirken Rühmkorfs literaturkritische Bluttaten. Man merkt ihnen an, dass es ihm großes Vergnügen bereitet hat, unter all den Langweilern und Epigonen aufzuräumen. Der Bibliotheksdienstleister Hans Mentz urteilt: Unbedingt zugreifen!