Humorkritik | Februar 2023
Februar 2023
»Man ist ein Mensch und erfrischt und erbaut sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das ist ein Extrapläsier, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und gedockener vor als man selbst.«
Wilhelm Busch
Üben, üben, üben!
Nathan Fielder hilft, wo er kann. In der Doku-Komödie »Nathan For You« (2013–2017) bot er seine Dienste als Unternehmensberater an und erweckte etwa ein schlecht laufendes Café als »Dumb Starbucks«-Filiale zu neuem Leben. Ein großer Erfolg: Die Aktion zog einen Rechtsstreit nach sich, Becher von »Dumb Starbucks« werden bis heute als Sammlerstücke gehandelt.
In seiner neuen Serie »The Rehearsal« (HBO) möchte Fielder Menschen helfen, schwierige Situationen in originalgetreuer Kulisse zu üben: In einer exakten Kopie seiner lärmigen Stammkneipe probt ein Trivia-Spieler ein Geständnis, im Haus ihrer Träume testet eine alleinstehende Frau das Familienleben mit Kind, in einer Diner-Kulisse trägt ein Mann Erbstreitigkeiten mit einem Schauspieler aus, der seinen Bruder darstellt. Anhand von Flussdiagrammen werden penibel konstruierte Szenarien und Antwortmöglichkeiten durchgespielt, Nebenfiguren und Doubles von Nebenfiguren eingeführt. Der Backstage-Bereich wird zur Kulisse, die wiederum von einer Kulisse umgeben ist. In anderen Reality-Shows werden die Teilnehmenden schlicht vorgeführt; Fielder hingegen zeigt, was Menschen veranlasst, sich konform zu verhalten, weil sie mit dem, was sie preisgeben und darbieten, möglichst gut dastehen wollen.
Manche der Charaktere sind so bizarr, dass sie erfunden wirken. Fielder stellt sich mit ihnen auf eine Stufe, indem er sich als dummer August inszeniert, der große Mühe mit sozialer Interaktion hat – nur um in der folgenden Szene als Puppenspieler aufzutreten, der hinter Bildschirmen und Pulten die Fäden zieht und die Handlung durch eine weitere skurrile Intervention vorantreibt. Dieser Rollenwechsel verunsichert manche der Teilnehmenden und auch den Kritiker Richard Brody (The New Yorker): Sie halten Fielder für einen Zyniker. »Some things are not make-believe! Open your eyes to reality!« schreit eine Teilnehmerin Fielder an. Heikel wird es, als ein beteiligtes Kind das Spiel mit der Fiktion nicht vollständig durchschauen kann und glaubt, in der Inszenierung seinen echten, schmerzlich vermissten Vater gefunden zu haben. – Ein komisch-gruseliges Lehrstück über die Geschichten, die wir uns selbst und anderen erzählen.