Humorkritik | Februar 2023

Februar 2023

»Man ist ein Mensch und erfrischt und erbaut sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das ist ein Extrapläsier, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und gedockener vor als man selbst.«
Wilhelm Busch

Zwischen Busen und Atom

Zu einem Besuch der artig angerichteten Pardon-Ausstellung im Frankfurter Caricatura-Museum möchte ich anspornen: einerseits jene Generationen, die erst nach dem Ende des satirischen Monats- und späteren Zweiwochenmagazins 1982 aufgewachsen sind, andererseits Interessierte aus der Mentz’schen Alterskohorte. Letztere werden, selbst wenn sie sich mit der bundesrepublikanischen Humorgeschichte vertraut wähnen, die eine oder andere Straßenaktion wieder- oder gar erstmals entdecken und grinsend denken: Ha, das haben die damals wirklich gemacht? Beispielsweise brachte die Redaktion 1977 als »Bundes-Atommüll-Verteilungsstelle« in albernen Schutzanzügen giftgelb bestrichene Klumpen unters Volk, um »die Entsorgungsprobleme der Kernkraftwerke zu lösen«. Vor der Paulskirche wurde an einem »Helden-Gedenktag« eine überlebensgroße Statue Heinrich Lübkes enthüllt, in schwarz-rot-goldener Schärpe ein Hakenkreuz über dem nackten Torso zerbrechend; schließlich hatte Regierungssprecher Günter Diehl dem Bundespräsidenten bescheinigt, in der NS-Zeit ein »Widerstandskämpfer« gewesen zu sein, nachdem böse DDR-Propaganda Lübke als Unterzeichner von KZ-Bauplänen verleumdet hatte. Das gipserne Monument wurde noch am selben Tag von der Polizei gestürzt. Ja, Pardon war, das zeigen die zahlreichen Wandtafeln und Artikelausschnitte aufs Beste, zeit ihres 30jährigen Bestehens dem Staat ein Dorn im Hintern, wollte »stets Kritik üben«, wenngleich niemals »Opposition als Selbstzweck betreiben«, wie es in der Herausgebererklärung zur Erstausgabe heißt.

Bis zum Hinschied ist man sich dieser Verpflichtung – Hans A. Nikels unrühmliche Esoterik-Eskapaden (»Ich kann fliegen«) höflich ausgeklammert – treu geblieben, sogar noch als Publikumszeitschrift mit aus heutiger Sicht schwindelerregender Auflagenhöhe. Zur Politprominenz, die den Rechtsweg gegen das hutlupfende Teufelchen beschritt, zählte 1972 auch Franz Josef Strauß anlässlich eines Beitrags, der das CSU-Oberhaupt als wahren Nutznießer des RAF-Terrors in die allzu enge Nähe Ulrike Meinhofs montierte. Das erinnerte mich an die »RAFDP«-Parodie aus dem ZDF Magazin Royale exakt 50 Jahre später, gegen welches ja nun Stefan Aust eine einstweilige Verfügung erwirkt und damit bewiesen hat, auf wessen Spuren er sich bewegt. (Strauß entblödete sich damals nicht, eidesstattlich zu erklären, »zu keiner Zeit eine direkte oder indirekte Verbindung zu der Baader-Meinhof-Bande gehabt« zu haben.)

Genau wegen solcher Parallelen, vor allem aber um anhand der dokumentierten Aktionen und zeitgenössischen Medienzeugnisse zu erschließen, wie das Blatt um F. K. Waechter, Elsemarie Maletzke, Mit-Kurator Gerhard Kromschröder & Co. die Kontinuität Frankfurter Satireschaffens zementierte, rate ich, s.o., auch Jüngeren zu einem Museumsgang. Selbst wenn die, nicht zu Unrecht, an den Dutzenden Nackedei-Titelbildern Anstoß nehmen dürften.

Die Schau »Teuflische Jahre« läuft noch bis 19. März.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg