Humorkritik | Februar 2023

Februar 2023

»Man ist ein Mensch und erfrischt und erbaut sich gern an den kleinen Verdrießlichkeiten und Dummheiten anderer Leute. Selbst über sich selber kann man lachen mitunter, und das ist ein Extrapläsier, denn dann kommt man sich sogar noch klüger und gedockener vor als man selbst.«
Wilhelm Busch

Insel-Delikatesse

Martin McDonagh ist einer der interessanteren Regisseure der letzten Jahre, auch aus humorkritischer Perspektive. In seinen bisher drei Langfilmen »Brügge sehen … und sterben?«, »7 Psychos« und »Three Billboards Outside Ebbing, Missouri« (siehe TITANIC 2/2018) gelang es ihm jedenfalls, mich mit schönen, bösen, traurigen und sehr lustigen Geschichten zu erfreuen. Nun ist sein neuer Film »The Banshees Of Inisherin« in den deutschen Kinos zu sehen, und auch ihn möchte ich empfehlen.

Diesmal dürfen die typischen, so durchschnittlichen wie seltsamen McDonagh-Figuren ihr Unwesen im Jahr 1923 auf einer kleinen, sehr verschlafenen Insel vor der irischen Westküste treiben. (Die Insel heißt Inisherin. Was Banshees sind, dürfen Sie selbst herausfinden). Pádraic und Colm, dargestellt von dem bereits aus »Brügge« bekannten Duo Colin Farrell und Brendan Gleeson, sind seit langem gute, eher beste Freunde und bewegen sich vorwiegend zwischen der eigenen Wohnung, der Viehweide und vor allem dem Pub, in welchem der Film hauptsächlich spielt. Irgendwann kündigt der deutlich ältere Colm Pádraic die Freundschaft – mit der vagen Begründung, Pádraic sei »langweilig«. Tief enttäuscht versucht Letzterer seinen Freund zurückzugewinnen, worauf Colm ihm erklärt, er werde sich künftig jedes Mal, wenn er von Pádraic angesprochen werde, einen Finger abschneiden. Der absurde Zwist eskaliert vor den Augen der ent-, aber auch ein wenig begeisterten Dorfgemeinschaft, Pádraics Schwester will ihren Bruder ablenken und von der Kontaktaufnahme mit Colm abhalten. Was nicht recht gelingt: Bald fliegen abgesenste Finger gegen Pádraics Haustür. Der junge »Dorftrottel« Dominic spielt dabei in komischer Hinsicht eine besondere Rolle, weil er für Pádraic zum ungeliebten Ersatzfreund wird und schließlich derjenige ist, welcher in den tiefsten aller Abgründe stürzt. Dieser befindet sich, wie meist bei McDonagh, nicht weit hinter den komisch-skurrilen Kulissen und ist diesmal besonders schrecklich.

McDonagh schrieb »Banshees of Inisherin« bereits 1994 als Teil einer Trilogie, befand es aber damals als »nicht gut«. Der nun fast dreißig Jahre später daraus entstandene Kinofilm kann nicht ganz mit dem großartigen »Three Billboards« mithalten, schlecht ist er aber kein bisschen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner