Humorkritik | Dezember 2023

Dezember 2023

»Es gibt genug Scherereien im Leben; warum es nicht einmal auf die heitere Weise versuchen?«
Auguste Renoir

Ohne Worte

Wenn man aus einem literarischen Text sämtliche Buchstaben, Zahlen und Leerzeichen entfernt, bietet er natürlich wenig zu lesen. Aus humorkritischer Sicht ist das Ergebnis dennoch nicht reizlos und sieht im Fall von Hölderlins Ode »An die Parzen« so aus: ,!,,,.,,;,,,,!,;,,. Deutlich länger ist Goethes Erlkönig, der uns als ?;,,.,?–,??–,.–»,,!;,.«,,,?–,,;.–»,,?;.«,,?–,,:.–»,;,.«,,!!– ’,,,;. entgegentritt. Eine Form, die stellenweise an Kafkas Miniatur »Die Sorge des Hausvaters« erinnert, deren Satzzeichen folgendermaßen angeordnet sind: ,.,,.,,.,,.,;,,,.,.,,.,.;;,;,.,.,,,.;;.,,.,– –.»?«.»«,.»?«»«,;,.,..;,,.,.?,,,;.?;,,.

Böse Zungen mögen nun behaupten, dass die Bücher von diesem Dichter oder jener Autorin sehr gewinnen würden, druckte man sie künftig nur noch in dieser Schwundform. Mir hingegen scheint bemerkenswert, dass es Schriftsteller gibt, die selbst in der radikalen Reduktion unverwechselbar bleiben. Denn ein genialisch-bescheuerter Absatz wie »?«;:»’,?–:‹›,.:»,;!«/(,,:»?«;=,,:!/»‘‘!«;.!/»!:!–:,:=!«.,:»?« stammt – natürlich :! – von Arno Schmidt.

Warum ich Ihnen all das erzähle? Weil ich Sie auf das Projekt »Between the words« aufmerksam machen möchte, bei dem Nicholas Rougeux aus Chicago das, was ich hier an kleinen Beispielen gezeigt habe, im großen Maßstab betreibt: mit englischsprachigen Klassikern von Shakespeare bis Joyce.

Sein Poster zu »A Christmas Carol« habe ich zu Weihnachten geschenkt bekommen (letztes Jahr) und möchte es gern weiterschenken (dieses Jahr). Auf die berechtigte Frage, ob das Ganze denn nun im engeren Sinne witzig ist oder doch eher ein kurioser Einfall eines bildenden Künstlers, für den ich als Humorkritiker gar nicht zuständig bin, lautet meine Antwort knapp: ,,,–?–,:,!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
11.05.2024 Karlsruhe, Kabarett in der Orgelfabrik Thomas Gsella
12.05.2024 Frankfurt, Museum für Komische Kunst »Ach was – Loriot zum Hundertsten«
12.05.2024 Kleinschönach/Bodensee, Kunsthalle Thomas Gsella
14.05.2024 Frankfurt, Goethe-Universität Martin Sonneborn