Humorkritik | Mai 2022

Mai 2022

»Unsre Zeit ist eine Parodie aller vorhergehenden.«
Friedrich Hebbel

Fian ist immer noch leiwand

Neulich erst, im Mai 1998, habe ich meiner Leserschaft Texte des österreichischen Autors Antonio Fian als »erhellend und vor allem spaßig« ans Herz gelegt, unter der Überschrift »Fian ist leiwand«, also klasse oder toll. Mein Lob bezog sich auf eine Sammlung von kleinen dramatischen Stücken, »Was bisher geschah« (Droschl). Inzwischen gibt es schon den siebten Band mit Fian-Dramoletten (diesmal unter dem reizvollen Titel »Wurstfragen«), und freudig schließe ich mich meinem 1998er-Urteil an – allerdings auch dem seinerzeitigen Warnhinweis: Fian publiziert seine Miniaturdramen in der österreichischen Tageszeitung Der Standard, entsprechend beinhalten sie Figuren und Ereignisse aus dem österreichischen Alltag und Politikgeschäft und zudem allerlei Austriazismen. In Letztere kann ich als außerösterreichischer Leser mich einigermaßen einfuchsen – herauszubaldowern, was sich hinter dem schönen Wort »Kaslewakassemml« verbirgt, ist ja auch ganz unterhaltsam – ; Erstere erschließen sich zumeist auch, und wenn nicht, dann eben nicht, man muss nicht immer alles verstehen und bspw. wissen, wer »die Ministerin Edtstadler« ist. Es bleibt genug Stoff, der Spaß macht. Etwa eine Dialogserie, in der sich zwei Securitykräfte in einem Strandbad am Wörthersee auf eine Weise unterhalten, die mich ein wenig an Michael Sailers alte Taz-Serie »Schwabinger Krawalle« erinnert (was ist eigentlich daraus geworden? Kommt da noch mal was?), wobei eine der Sicherheitsgestalten lustige Gedichte schreibt, die Themen sind aber nicht immer lustig.

Fian ist ein Satiriker, wenn auch kein ganz böser. Erwartbar regt er sich über Kurz, Strache, überhaupt die FPÖ und den ganzen korrupten Schurkenapparat auf. Wenn André Heller und Stefanie Sargnagel ebenso parodiert werden wie die Literaturkritikerin Daniela Strigl im Gespräch mit dem Autor Arno Geiger, funktioniert das, weil Fian O-Töne verwendet und bloßstellt: »Das heißt, nichts von dem, was du schreibst, ist ungeprüft übernommen, vorgeformt, alles ist durch die in deinen Protagonisten beglaubigte Erfahrung des literarischen Forschers erhärtet« usw. usf. – wie sie halt so vor sich hintröten. Am besten gefällt mir Fian, wenn er dem reinen Nonsens frönt, und vernehmlich lachen musste ich bei der Lektüre des einzigen etwas umfangreicheren Stückes: In »Münterlein«, einem »Drama in sieben Stationen«, geht es darum, dass ein Knabe zum Muttertag ein Gedicht aufsagen muss, wobei er »Mütterlein« stets als »Münterlein« ausspricht. Das ist albern und banal, doch entwickelt sich daraus eine Sprachfehlerneurose und -tradition, die sich über Generationen festigt und auf nur halbwegs subtile Weise die Auswirkungen münter-, Pardon: mütterlicher Demütigung auf zarte männliche Seelen symbolisiert. Das muss auch mal erzählt sein, und so witzig, wie Fian das macht und in eine groteske Pointe münden lässt, ist es einfach: leiwand. Noch (Wurst-)Fragen?

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg