Humorkritik | März 2021

März 2021

Nichts ist verächtlicher als ein trauriger Witz.
Friedrich Schlegel

Komische Highsmith?

Die amerikanische Schriftstellerin Patricia Highsmith wäre im Januar 100 Jahre alt geworden, was Anlass war für zahlreiche Feuilletonbeiträge. Das Wort des FAZ-Kollegen Platthaus, die »Hauptfiguren in Highsmiths Kriminalgeschichten sind Comicfiguren im besten Sinne«, habe wiederum ich zum Anlass genommen, noch einmal zu überprüfen, wie genuin comical die Krimi-Meisterin sein konnte; ein Aspekt, der mir in all den Würdigungen zu kurz gekommen war. Als Prüfstein diente mir »Ladies. Frühe Stories« (Diogenes): pünktlich zum Jubiläum herausgebrachte Erzählungen, welche fast ausnahmslos aus den 1940ern stammen. Dabei wurde ich noch einmal daran erinnert, in wie vielen Genres Mrs. Highsmith sich ausgetobt hat, kriminalistisch geht es hier so gut wie gar nicht zu. Das Buch beginnt mit der Parodie einer schottischen Sage (»Die Legende des Klosters von Saint Fotheringay«) und endet mit astreinem Tierhorror (»Der Schneckenforscher«). Beide haben mich wegen der jeweiligen Prämisse respektive Pointe schmunzeln lassen, mehr möchte ich nicht verraten.

Dazwischen waren es tatsächlich die mit liebevollem Sadismus behandelten Figuren, die mich in ihrer Ripley-Ferne wo nicht zum Lachen, so doch zum sympathisierenden Lächeln gebracht haben. Die Männer und Frauen in den Kurzgeschichten sind naiv, von einfachem Stand, streben nach Höherem, wenigstens einem Neuanfang, und bekommen Ahnungen von Glück, das ihnen schließlich doch nicht vergönnt ist. Ein Kindermädchen geht derart in seiner neuen Anstellung auf, dass es für genügend Wertschätzung auf Bezahlung verzichtet und sich sogar »eine Katastrophe, etwas Schreckliches, Gefährliches« wünscht, »so dass sie sich zwischen das kleine Mädchen und den Angreifer werfen und ihren großen Mut und Aufopferungswillen beweisen könnte … Sie selbst würde dabei ernsthaft verletzt werden« (»Die Heldin«). Ein Spinnenjunge (man merkt, dass die Autorin am College einige Zoologiekurse belegt hat) verlässt seine Mutter, um nicht immer nur Fliegen essen zu müssen, lernt dann jedoch, dass die Alternative nicht satt, sondern Angst macht (»Die Geschichte von Sydney«). Und in »Der Schatz« gewann ein humpelnder Kalfaktor, der einer mysteriösen Tasche hinterherjagt, meine Zuneigung, als er sich »einen seiner wenigen Momente ungetrübten Glücks in Erinnerung« ruft, nämlich zwei beiläufig geäußerte Sätze eines seiner Vorgesetzten: »Archie ist in Ordnung. Wenn er den Mund aufmacht, kommt was Vernünftiges raus.«

So entstehen distanziert-eindringliche Charakterzeichnungen, die bei Comicfiguren wohl schwerlich funktionieren würden. Mich jedenfalls haben diese angejahrten Storys mehr amüsiert als so manche krampfhaft auf Witz gebürstete.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella
11.05.2024 Karlsruhe, Kabarett in der Orgelfabrik Thomas Gsella