Humorkritik | März 2021
März 2021
Nichts ist verächtlicher als ein trauriger Witz.
Friedrich Schlegel
Film of the Last Years
Als Barry Levinson seinen Film »Man of the Year« herausbrachte, war Donald Trump von seiner Präsidentschaft noch weit entfernt; zehn Menschenjahre, um genau zu sein. 2006 hieß der amerikanische Präsident George W. Bush, und der war höchstens unfreiwillig komisch. In Levinsons Film wird ein Komiker zum Präsidenten gewählt, der Talkshowhost Tom Dobbs, dargestellt von Robin Williams. Die Idee entwickelt sich aus einer Zuschauerfrage, die ihm beim Warm-up für seine Show gestellt wird. Er fragt sich: Warum nicht?, kandidiert und wird gewählt, nachdem er die entscheidende Fernsehdebatte aufgemischt hat – im Gegensatz zu Donald Trump mit Witzen, die funktionieren.
Damals, im Jahre 2006, war die Vorstellung, dass ein Querulant mit guten Gags das erreichen könnte, was zehn Jahre später einem mit schlechten gelungen ist, noch so unglaublich, dass Levinson eine Erklärung dafür erfindet: In einer Parallelhandlung deckt eine Angestellte einen Fehler im Computersystem auf, das bei dieser Wahl erstmals zum Einsatz gekommen ist. Als er davon erfährt, geht Dobbs zurück auf die TV-Bühne und heiratet die Computerexpertin. Einer der üblichen langweiligen Berufspolitiker, immerhin etwas seriöser aussehend als Bush jun., wird Präsident der Vereinigten Staaten.
Der Film bekam seinerzeit mäßige Kritiken und spielte gerade seine Kosten ein. Sieht man ihn heute, entwickelt er neue Qualitäten, geradezu hellseherische, weswegen ich ihn vor allem Zuschauern empfehle, die Dystopien schätzen.
Ob Donald Trump sich den Film bereits angesehen hat, um neue Ideen für seine Wahlbetrugstheorie zu finden, weiß ich nicht. Ich kann ihm nur empfehlen, sich Barry Levinsons ein Jahrzehnt früher entstandene Politsatire »Wag the Dog« anzuschauen, in der ein Präsident seine Amtszeit verlängert, indem er einen fiktiven Krieg mit Albanien anfängt. Dass diese Empfehlung zu spät kommt, darf Trump ruhig ärgern.