Humorkritik | März 2021
März 2021
Nichts ist verächtlicher als ein trauriger Witz.
Friedrich Schlegel
Nicht lachen, bloß denken
Wer zum Lachen verführen will, hat einen Feind: den Verstand. Genauer gesagt: das Überlegen. Ein Witz muss schneller sein als das logische Denken und die lahme Ratio überwältigen – wenn nicht, wird etwas anderes als Komik daraus, vielleicht etwas Weises oder Sinniges. So wie in den Strichtierzeichnungen von meta bene alias Robin Thiesmeyer, die inzwischen den Sprung von Twitter über Zeit-Online in die richtige Zeit und in den Lappan-Verlag geschafft haben, der eine Auswahl unter dem Titel »Hirne waschen und ab ins Bett!« herausgebracht hat.
Schon der Titel macht stutzen: Man kann ihn so entschlüsseln, dass, um einzuschlafen, man abschalten und die Tagesprobleme sauber hinter sich lassen muss – womit man eine brauchbare Interpretation geleistet, aber eben nicht gelacht hat. Genauso verhält es sich mit nahezu allen dieser minimalistisch gezeichneten, von hingetuschten Pinguinen, Schaben, Fischen und Antilopen bevölkerten Cartoonwelt, die maximalistisch ausgelegt werden kann. Etwa wenn sich zwei Antilopen unterhalten: »Schwerkraft ist die Sehnsucht der Sterne.« – »Und das Licht?« – »Das nicht.« Bei dem Dialog zweier Pinguine (»Es gibt kein Du in Wirklichkeit.« – »Aber ich.«) kann man zusätzlich noch über die Grammatik ins Grübeln geraten.
Thiesmeyer hat Philosophie studiert, sich »Kreatives Schreiben« in einem Studiengang angeeignet und setzt seinem Pseudonym gemäß, das auf die wo auch immer zu suchende Metaebene anspielt, geistreiche Reden in Szene: »Nichts ist perfekt.«– »Alles ist Präsens.« Oder, ebenfalls zwischen zwei Fischen: »Ich bewundere deinen Tiefgang«, sagt der eine, bescheiden repliziert der andere, der tief unter ihm schwimmt: »Ich bin nur schwer von Begriff.« Darüber lässt sich hübsch sinnieren oder lange brüten, ein Lachanlass ist es nicht und soll es wohl nicht sein: »Ich mach jetzt nur noch brotlose Kunst«, sagt ein Flamingo zu zwei anderen. Pause. Dann: »Wegen der Kohlenhydrate.«
Immanuel Kant definierte das Lachen als Reaktion, wenn eine gespannte Erwartung zu nichts zerplatzt. Ein Mal wird Philosoph Thiesmeyer dieser Definition gerecht. Vogel auf dem Ast: »Nichts ist. Alles wird.« Vogel auf dem Nachbarast: »Und was wird es?« – »Nichts.« Sonst aber hat Thiesmeyer es nicht so mit dem Lachen, allenfalls mit dem Denken übers Lachen. Sein Startcartoon gibt die Richtung vor: »Wir glauben an die heilige Erlösung der Seele durch Humor«, sagen zwei Pinguine, der dritte fragt: »Soll das ein Witz sein?« Darauf die beiden: »Amen.«
Nein und Amen aber muss ich leider zu diesem Buch sagen.