Humorkritik | April 2021
April 2021
Wenn ein kluger Kopf eine offensichtliche Eselei schreibt, dann ist es Satire; wenn es ein Esel tut, nicht.
Wyndham Lewis

Eine meganice Zeit
Als Fan des Liedermachers bzw. Autors bzw. Regisseurs bzw. Comedians (oder Kabarettisten?) Rainald Grebe habe ich mich an dieser Stelle bereits in der Aprilausgabe 2007 geoutet. Sieben Jahre später, im Dezember 2014, lobte ich sein Theaterstück »Frankfurt« – und heute, weitere sieben Lenze später, höre ich sein neues Album »Popmusik«. Vor vierzehn Jahren waren es seine flüchtigen »Scherze, komischen Gespinste, meist ohne Pointe, dafür mit Poesie«, die mir gefielen, und seine Fähigkeit, auf der Bühne mit jeder Nummer einen neuen Ton anzuschlagen. »Popmusik« ist ein Studioalbum – was, verseucht noch mal, auch sonst? –, doch könnte ich es mit den gleichen Worten preisen.
Grebe lebt nach wie vor in Berlin und kennt den Osten. Wenn er im Lied »Eis« wie der Edeka-Liechtenstein (»Supergeil«) von den beliebtesten Eissorten im Prenzlauer Berg singt, wenn er in »Meganice Zeit« mit dem Auto durch Sachsen fährt, dann ist das für jemanden, der von ihm schon ein oder zwei Alben kennt, nichts gänzlich Neues. Jeder Künstler hat halt seine Themen. Aber das ändert nichts daran, dass ich mit großem Vergnügen zuhöre, wie Grebe die wunderbarsten Zeilen scheinbar spontan einfallen: »Hinter jedes To-do ein Häkchen, huuu!« singt er in »Calvinismus«. Und nur olle Kamellen sind es thematisch ohnehin nicht. Gleich im Opener »Wissenschaft ist eine Meinung« beweist Grebe, dass er aktuelle Plasberg- und Lanz-Sendungen genau verfolgt: »Ich bin verwirrt, ich hab Couscous im Gehäuse.« Zeitgeist extrem! Aber auch in ganz andere Realitäten hat er Einblick: »Der Adel kauft sich den Osten zurück, denn er war vorher da, der Adel schützt die Umwelt, denn sie gehört ihm ja«, weiß Grebe vom blauen Blut zu berichten – und biedert sich an: »Ich hätte gern ein Madel aus altem Adel.« Prächtig. Die Stimmungen und Themen fliegen einem nur so um die Ohren, ich würde dem Album das Qualitätssiegel »Mehr vom Grebe« geben. Der Künstler zitiert sich auf »Popmusik« auch nicht nur einmal selbst – aber wen soll so einer bitte sonst zitieren?