Humorkritik | April 2021

April 2021

Wenn ein kluger Kopf eine offensichtliche Eselei schreibt, dann ist es Satire; wenn es ein Esel tut, nicht.
Wyndham Lewis

Das ganze Literaturgewichse

Romane über Romanschreibende können lustig sein, Literaturbetriebssatiren auch, und wenn in einer solchen neben Büchner- und Friedenspreisträgerinnen auch eine »amtierende Verteidigerin des Jonke-Artmann-Gürtels« vorkommt, freut es mich. Auch Spott über die beliebten Generations- und Familienschinken ist mir willkommen: »Immer lief es darauf hinaus, dass sich ›die Enkelin‹ oder in manchen Fällen auch ›die Ur-Enkelin‹ diffus von ihrer patriarchal bis faschistisch strukturierten Genealogie löste und das Leben zwar schwer, aber bunt war. Über eine Zeit zu schreiben, zu der man noch nicht gelebt habe, sei temporäre Aneignung, proklamierte Pedro im Coffein-und-Zucker-Rausch.« In literarischen Podiumsgesprächen wird auf den Aneigner Thomas Pynchon geschimpft, »die zwanghafte Albernheit, die Figurennamen, die reißerischen Erwähnungen von Konzentrationslagern, die Selbstgefälligkeit des Erzählers, die verschachtelten Sätze, die unverschachtelten Sätze (…), das Geprahle mit Fremdwörtern und weiterem für die meisten Lesenden Unbekannten wie dem Physik-Gewichse – Entschuldigung –, diesem ganzen Kram um den Maxwellschen Dämon und Entropie, aber wirklich am meisten die Sprache, die Erzählhaltung, das wahnsinnig Eitle daran«, und ob die Wutrede nun berechtigt oder nicht berechtigt ist, interessiert mich als Leser weniger als ihre komische Qualität – oder der Einwand, dass einer, der »szintillieren« verwendet (und »Genealogie« falsch), nicht selber vom Fremdwortprahlen Abstand nehmen sollte.

Wenn »Kurzes Buch über Tobias«, der bei Suhrkamp erschienene Roman des jungen, »todkomischen« (Die Zeit) Jakob Nolte, einen großen Nachteil hat, dann diesen: dass ich Ihnen alle lustigen Stellen bereits verraten habe. Was nicht schlimm wäre, ginge es im Restroman nicht reichlich ungelenk zu: Ein Kolloquium »entpuppte sich als eine alptraumhafte Geisterbahnfahrt«, die »Blätter wiegten sich von links nach rechts, je nachdem, ob der Wind blies oder nachließ«. Wie ich mir eine »Ahnenkette, die über Dante, Bataille und Jahnn tief in seine Fantasie hineinragte« vorzustellen habe, bleibt unklar; rätselhaft der Satz: »Die Spieler gingen an ihm vorbei und bemerkten, dem Brechen nah, etwas zum Geruch, befanden es aber nicht für notwendig, seine Quelle zu lokalisieren.« Oder aber: »Es war an ihr, die Szene komödiantisch zu drehen und den Hoch- in einen Tiefstatus umzukehren«.

Nolte, Nachwuchspreisträger der bekannten Kasseler Auszeichnung für grotesken Humor, hat mehr Groteskes als Humor: Menschen versterben und erwachen wieder, werden in Kaninchen verzaubert, finden zu Gott oder von ihm weg, haben Epiphanien und Gewaltphantasien. Bunt, aber schwer, um den Autor zu paraphrasieren. Und leider, bis auf die erwähnten Ausnahmen, unkomisch.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt