Humorkritik | April 2021

April 2021

Wenn ein kluger Kopf eine offensichtliche Eselei schreibt, dann ist es Satire; wenn es ein Esel tut, nicht.
Wyndham Lewis

»Švejk« zum 100.

Vor hundert Jahren, im Jahre 1921, wurde Jaroslav Hašeks »Der gute Soldat Švejk« veröffentlicht, zuerst Stück für Stück in selbstverlegten Heften, schließlich in Buchform. Doch erst seit 2014 weiß man im deutschen Sprachraum einigermaßen, wie dieser Roman eigentlich klingen soll. Denn die Neuübersetzung von Antonín Brousek veränderte das volkstümliche Bild des Titelhelden, das bis dahin vorherrschte, gründlich.

Als sich nämlich Grete Reiner 1929 erstmalig an eine Übersetzung machte, erfand sie dafür eine Kunstsprache: Ihr »Böhmakeln« war der kühne Versuch, gewisse grammatikalische Eigenheiten der tschechischen Sprache ins Deutsche zu schmuggeln, und zwar vor allem durch drollige Inversionen. Kurt Tucholsky, ein großer Verehrer Hašeks, fand das »unmöglich«. Mir geht es ähnlich, denn dieser Kunstgriff entrückte den Helden, Švejk wurde gewissermaßen durch eine deutsche Brille gesehen. Und gerade dadurch populär: Reiners »braver Soldat Schwejk« tapste als liebenswerter Trottel durch die Weltgeschichte.

Der »gute Soldat Švejk« hingegen verwandelt sich im schnörkelfreien Deutsch, das ihm Brousek verpasst hat, in die janusköpfige Figur, die er immer schon war: einerseits fast jesusmäßig duldend, andererseits bis zur Empathielosigkeit grausam, den Irrsinn seiner Zeit in Anekdotenform bloßstellend. So reicht er etwa einem suizidalen Mitgefangenen seinen Gürtel mit den aufmunternden Worten: »Ich habe Selbstmörder sehr gern. Also nur frisch ans Werk.« Wenn der Begriff des »schwarzen Humors« nicht so oft missbraucht worden wäre, hier trifft er zu. Mit dem »Schwejk«, wie ihn Heinz Rühmann in der bekanntesten Verfilmung darstellt, hat diese Figur nichts mehr gemein.

Auch Hašek selbst war ein ambivalenter Charakter. Politisch zwischen Anarchie und Kommunismus, siedelte er literarisch zwischen großem Epos und reinem Nonsens. »Ich habe auf der ganzen Welt nichts Erhabeneres gesehen als dies blöde Galizien«, schob er etwa dem alten Humboldt unter. In der k.u.k. Armee diente Jaroslav Hašek ebenso wie beim Feind in der roten, arbeitete als Journalist und Hundefänger, war zweimal verheiratet, und zwar gleichzeitig. Ganz nebenbei gründete er auch noch die PFGFIDSDG, eine »Partei für gemäßigten Fortschritt in den Schranken des Gesetzes«, zu deren Programm unter anderem die Wiedereinführung der Sklaverei, die Verstaatlichung aller Hausmeister und die Bürgerpflicht zum allgemeinen Alkoholismus gehörte. Zumindest den letzten Punkt hat Hašek ernst genommen: Er starb 1923 im Alter von knapp vierzig Jahren an seiner Sauferei.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mahlzeit, Erling Haaland!

Mahlzeit, Erling Haaland!

Zur Fußballeuropameisterschaft der Herren machte erneut die Schlagzeile die Runde, dass Sie Ihren sportlichen Erfolg Ihrer Ernährung verdankten, die vor allem aus Kuhherzen und -lebern und einem »Getränk aus Milch, Grünkohl und Spinat« besteht.

»Würg!« mögen die meisten denken, wenn sie das hören. Doch kann ein Fußballer von Weltrang wie Sie sich gewiss einen persönlichen Spitzenkoch leisten, der die nötige Variation in den Speiseplan bringt: morgens Porridge aus Baby-Kuhherzen in Grünkohl-Spinat-Milch, mittags Burger aus einem Kuhleber-Patty und zwei Kuhherzenhälften und Spinat-Grünkohl-Eiscreme zum Nachtisch, abends Eintopf aus Kuhherzen, Kuhleber, Spi… na ja, Sie wissen schon!

Bon appétit wünscht Titanic

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Du, »MDR«,

gehst mit einer Unterlassungserklärung gegen die sächsische Linke vor, weil die im Wahlkampf gegen die Schließung von Kliniken plakatiert: »In aller Freundschaft: Jede Klinik zählt.« Nun drohen juristische Scharmützel nebst entsprechenden Kosten für beide Seiten. Wie wäre es, wenn die Linke ihr Plakat zurückzieht und im Gegenzug nur eine einzige Klinik schließt? Die Ersparnisse dürften gewaltig sein, wenn die Sachsenklinik erst mal dichtgemacht hat.

Vorschlag zur Güte von Deinen Sparfüchsen von Titanic

 Grüß Gott, Markus Söder!

Weil der bayerische AfD-Chef Sie wiederholt »Södolf« genannt hat und Sie ihn daraufhin anzeigten, muss dieser Ihnen nun 12 000 Euro wegen Beleidigung zahlen. Genau genommen muss er den Betrag an den Freistaat Bayern überweisen, was aber wiederum Ihnen zugutekommt. Ebenjener zahlt Ihnen ja die Honorare für freie Fotograf/innen, von denen Sie sich bei öffentlichen Anlässen gern begleiten und ablichten lassen. Im Jahr 2022 sollen sich die Kosten auf stolze 180 000 Euro belaufen haben.

Vorschlag: Wenn es Ihnen gelingt, die Prasserei für Ihr Image komplett durch Klagen gegen AfD-Mitglieder querzufinanzieren, stoßen wir uns weniger an Ihrem lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern.

Drückt vorauseilend schon mal beide Augen zu: Titanic

 Gemischte Gefühle, Tiefkühlkosthersteller »Biopolar«,

kamen in uns auf, als wir nach dem Einkauf Deinen Firmennamen auf der Kühltüte lasen. Nun kann es ja sein, dass wir als notorisch depressive Satiriker/innen immer gleich an die kühlen Seiten des Lebens denken, aber die Marktforschungsergebnisse würden uns interessieren, die suggerieren, dass Dein Name positive und appetitanregende Assoziationen in der Kundschaft hervorruft!

Deine Flutschfinger von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster