Humorkritik | April 2021

April 2021

Wenn ein kluger Kopf eine offensichtliche Eselei schreibt, dann ist es Satire; wenn es ein Esel tut, nicht.
Wyndham Lewis

Offenkundig möglicherweise

Zwei Hefte ist es her, dass ich meine Unlust bekundete, an kenntnislosen sog. Satiredebatten teilzunehmen, und kaum stand’s da, sah die SZ »alte Lieblingsfilme«, die sie nicht mehr sehen wollte, und zeigte »Otto – Der Film« (1985) nochmals wegen Rassismus an: »Du Neger?« fragt Otto einen afroamerikanischen US-Soldaten, gespielt von Günther Kaufmann. Der versteht nicht, und Otto erklärt: »Neger: schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füß.« »Schwarze Füß?« fragt Kaufmann, und Otto zieht die Socken von den ungewaschenen Mauken und demonstriert: »Schwarze Füß!« Sagt der GI: »Ah, du Neger!« Später verkauft Otto den Kollegen in einem Haustürgeschäft einer arischen Bürgersfrau als »Sklaven«, und »Herr Bimbo« nimmt seinen Kaffee natürlich »schwarz«.

»Für eine Diskussion, was Satire darf oder nicht, eignet sich die Szene sicher nicht: Zu daneben sind die Gags«, weiß der SZ-Rezensent. Rezensent – weiße Füß, voller Bauch, leerer Kopf? Gerade eine als anstößig empfundene Satire ist doch Diskussionsstoff und nicht die, gegen die niemand was hat; wie mich nicht stört, dass wer was für diskutabel hält, sondern das selbstgewisse Das-geht-gar-nicht. Die Causa ging bereits im letzten Jahr durch die Presse, als der Verein »Initiative Schwarze Menschen in Deutschland« die Szenen als »offenkundig rassistisch« beanstandet hatte, worauf gelegentlich erwidert wurde, dass »Neger« und das verwandte »Sklave« hier doch als das zurückgespielt würden, was sie seien: eine (weiße) Zuweisung und eben nichts Essentielles. »Möglicherweise ein sehr frühes Beispiel für anti-rassistische Komik«, zitiert der SZ-Autor pikiert die Produktionsfirma, weil ihn schon die Möglichkeit ärgert; dabei wüssten es die schwarzen Menschen in Deutschland doch, bitte sehr, wirklich besser.

Die sind, ich glaube es, Kummer gewohnt, und vielleicht ist es mein privilegierter Einwand, dass doppelte Böden zur Kunst gehören. (Der Fuß-Witz ist ein verfilmtes Blatt von Robert Gernhardt.) Dass sich dem stur weiterwaltenden Rassismus mit ebenso sturem Positivismus beikommen lässt, möchte ich trotzdem bezweifeln.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg