Humorkritik | September 2020

September 2020

Es gibt eine Art ernsthafter Leute, welche es überhaupt zur Sünde machen will, wenn man schertzet und lachet.
Georg Friedrich Meier

Zum Heulen – wenn’s nicht komisch wär’

Eine amerikanische Mutter bäckt, um Geld zu sparen, einen abgelaufenen Keksteig im überheizten Auto. Sie ist America’s Cheapest Mother. Eine andere Sparfüchsin kann ihre Teebeutel nach mehrmaligem Aufgießen immer noch für das Reinigen von Pfannen gebrauchen und danach, in einem dritten Verwertungsschritt, für die Parkettpflege. Die beiden führen ihre Spartricks in der Serie Extreme Cheapskates – Geizhälse Extrem des Senders TLC vor. Nötig haben die Bewohnerinnen riesiger Einfamilienhäuser das Knausern nicht. Wenn sie in der Sendung allerdings erklären, ihr Wohlstand sei auf ihre eiserne Sparsamkeit zurückzuführen, dann muss ich das erste Mal lachen.

Etwas Ähnliches zeigt der britische Sender 5Star mit seiner Scripted-Reality-Fernsehserie Rich Kids Go Skint, zu Deutsch etwa »Reiche Blagen gehen pleite«: sehr, sehr wohlhabende Jugendliche, die armen Familien einen Besuch abstatten und Tränen der Betroffenheit vergießen, wenn sie hören, mit welchem Budget ihre armen Gastgeber auskommen müssen. Eines dieser Rich Kids ist Andrea, ein einfühlsamer junger Mann, der sich sehr für seine 10 000 Pfund teure Armbanduhr schämt: »Why can life be so cruel sometimes?« Als er vom Gastgeber dessen zerlesenes Lieblingsbuch über Kurt Cobain geschenkt bekommt, eröffnet sich eine Chance für Andrea: Er könnte sich von der schwer lastenden Uhr befreien und damit auf Monate den Kühlschrank seiner Gastgeberfamilie füllen. Kurz überlegt er – und entscheidet sich für eine Umarmung.

Umarmungen gibt es viele in Rich Kids Go Skint. Und Einverständnis: Die Reichen loben die Armen für ihr Durchhaltevermögen, weil sie trotz finanzieller Not doch ein einfaches, glückliches Leben führen, die Armen loben die Reichen für ihre Bemühungen im Haushalt und ihre unerwartete Menschlichkeit. Dann bedanken sich die Reichen für all die praktischen Dinge, die sie während ihres Aufenthalts gelernt haben, z.B. Abwaschen, steigen in ein Taxi und erzählen der Kamera, wie froh sie sind, nicht so leben zu müssen. Die Komik entspringt hier dem sozialen Gefälle, das von dem Format freilich mehr bestätigt denn hinterfragt wird: Die Armen bleiben arm, die Reichen sind wieder reicher geworden, und zwar um eine Erfahrung. Wir lernen: Jede Erzählung, und bestehe sie aus noch so grellen Gegensätzen, kann zu einem versöhnlichen Ende gebracht werden. Ein großer Spaß – für Zyniker.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Cafe Extrablatt (Bockenheimer Warte, Frankfurt)!

»… von früh bis Bier!« bewirbst Du auf zwei großflächigen Fassadentafeln einen Besuch in Deinen nahe unserer Redaktion gelegenen Gasträumlichkeiten. Geöffnet hast Du unter der Woche zwischen 8:00 und 0:00 bzw. 01:00 (freitags) Uhr. Bier allerdings wird – so interpretieren wir Deinen Slogan – bei Dir erst spät, äh, was denn überhaupt: angeboten, ausgeschenkt? Und was verstehst Du eigentlich unter spät? Spät in der Nacht, spät am Abend, am Spätnachmittag oder spätmorgens? Müssen wir bei Dir in der Früh (zur Frühschicht, am frühen Mittag, vor vier?) gar auf ein Bier verzichten?

Jetzt können wir in der Redaktion von früh bis Bier an nichts anderes mehr denken. Aber zum Glück gibt es ja die Flaschenpost!

Prost! Titanic

 Wie kommt’s, »Krautreporter«?

In einem Artikel zum Thema »Konkurrenz im Job« stellst Du die These auf: »Konkurrenz ist nicht so verpönt wie ihr Ruf.« Aber warum? Was hat der Ruf der Konkurrenz denn bitte verbrochen? Womit hat er seinem Renommee so geschadet, dass er jetzt sogar ein schlechteres Image hat als die Konkurrenz selbst? Und weshalb verteidigst Du in Deinem Artikel dann nur die Konkurrenz und nicht ihren Ruf, der es doch viel nötiger hätte?

Ruft Dir fragend zu:

Deine genau im gleichen Ausmaß wie ihr Ruf verpönte Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 So ist es, Franz Müntefering!

So ist es, Franz Müntefering!

Sie sind nun auch schon 84 Jahre alt und sagten zum Deutschlandfunk, Ältere wie Sie hätten noch erlebt, wozu übertriebener Nationalismus führe. Nämlich zu Bomben, Toten und Hunger. Ganz anders natürlich als nicht übertriebener Nationalismus! Der führt bekanntlich lediglich zur Einhaltung des Zweiprozentziels, zu geschlossenen Grenzen und Hunger. Ein wichtiger Unterschied!

Findet

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Der kästnerlesende Kniebeuger

Es gibt nichts Gutes
Außer man Glutes.

Sebastian Maschuw

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

 Zeitsprung

Dem Premierenpublikum von Stanley Kubricks »2001: Odyssee im Weltraum« wird der Film 1968 ziemlich futuristisch II vorgekommen sein.

Daniel Sibbe

 Ein Lächeln

Angesichts der freundlichen Begrüßung meinerseits und des sich daraus ergebenden netten Plausches mit der Nachbarin stellte diese mir die Frage, welches der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen sei. Sie beantwortete glücklicherweise ihre Frage gleich darauf selbst, denn meine gottlob nicht geäußerte vage Vermutung (Geschlechtsverkehr?) erwies sich als ebenso falsch wie vulgär.

Tom Breitenfeldt

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster