Humorkritik | Oktober 2020

Oktober 2020

Aber wenn man vor einem Publikum steht und es mit einer neuen Idee zum Lachen bringt, dann hat man für diesen Moment die Kontrolle über das gesamte Bewusstsein. Niemand ist jemals so sehr bei sich selbst, als wenn er oder sie wirklich lacht. Das Publikum lässt sich fallen. Es ist ein zenartiger Moment. Alle sind total offen, ganz sie selbst, wenn diese Botschaft das Hirn trifft und das Lachen beginnt. In diesem Moment könnten neue Ideen eingepflanzt werden. Wenn dann eine Idee durchkommt, hat sie eine Chance zu wachsen.
George Carlin

Der Spion, den ich liebe

Und apropos Jean Dujardin ... – aber lassen Sie mich etwas ausholen:

Noch bevor Ian Fleming 1953 zum ersten Mal einen Geheimagenten namens James Bond mit der Nummer 007 und der Lizenz zum Töten in einem Roman auftreten ließ, hatte der französische Autor Jean Bruce seinen Helden OSS 117 erfunden, dem er den vollen Namen Hubert Bonisseur de La Bath verpasste. Während Fleming zwölf Bond-Romane schrieb, brachte es Familie Bruce auf gut 250, denn Jeans Werk wurde von seiner Frau und seinen Kindern fortgesetzt.

Acht Filme wurden nach diesen Vorlagen zwischen 1956 und 1970 gedreht. Ich kenne nur die beiden Parodien auf diese französische Serie, und die gefallen mir besser als die besten Bond-Parodien mit Rowan Atkinson und Mike Myers: »OSS 117 – Der Spion, der sich liebte« und »OSS 117 – Er selbst ist sich genug« kamen 2006 und 2009 in die Kinos. Allerdings nicht in die deutschen. Hierzulande erschienen sie lediglich auf DVD und blieben zu Unrecht unbekannt.

In beiden Filmen spielt besagter Jean Dujardin mit vollem Körpereinsatz einen ureitlen Trottel, dessen Selbstbewusstsein so unerschütterlich ist, dass es jeden Gegner entwaffnet und mich als Zuschauer dazu. Kein Fettnapf wird ausgelassen, egal ob der in Kairo steht, wo OSS 117 vor allem Muslime beleidigt, oder in Rio, wo er auf der Jagd nach einem Altnazi vom israelischen Geheimdienst Mossad unterstützt wird und die Gelegenheit nutzt, alle seine Vorurteile über Juden und jüdischen Humor loszuwerden. Wie er die Peinlichkeiten, die er selbst verursacht, bei anderen sucht oder mit penetrantem Gelächter zu überspielen trachtet, das ist sehenswert; zum Beispiel, wenn seine Mossad-Partnerin ihm zu erklären versucht, warum sie ihn, den sie anfangs als »Bollwerk gegen die Barbarei« und »Symbol der Freiheit« verehrt hat, nach näherem Kennenlernen nicht mehr ganz so attraktiv findet (»Sie sind alt, aufgeblasen, misogyn, selbstverliebt, eitel, ein Borderline-Rassist, schlecht angezogen, kindisch und nicht witzig. Reicht das?«) und ihn daran nur eines stört (»Schlecht angezogen?!«). Warum das deutsche Kinopublikum selbst im Jahre 2009 nicht für reif befunden wurde, derlei zu ertragen, ahnt man, wenn ein Nazi sich am Ende des zweiten Teils Shakespeares berühmten Shylock-Monolog aneignet und OSS 117 damit fast zu Tränen rührt: »Das hat er aber schön gesagt …«

Ganz nebenbei nutzt Regisseur Michel Hazanavicius die Gelegenheit, den cinematografischen Stil jener Jahre zu parodieren, in denen die Filme spielen: 1955 und 1967. Wobei die 60er-Jahre-Ästhetik mit ihren Farborgien und Bildteilungen noch ein wenig mehr Spaß hergibt. Der unverschämte Geist der albernen alten Zeit hat alle drei beseelt: den Regisseur, den Hauptdarsteller – und den deutschen Übersetzer des Ganzen: einen gewissen Oliver Kalkofe. Und selbst wer glaubt, Albernheiten wären nicht genug für eine gute Satire, der wird bedient, zum Beispiel mit einem Gespräch über Brasilien bei einem Gang durch die Favelas:

Sie: »Das Leben hier ist nicht für jeden einfach. So wie in jeder Diktatur.«

Er: »Diktatur! Was Sie nicht sagen! Sie sind nett, aber Sie verstehen wenig von Politik. Wissen Sie, was eine Diktatur ist? Da sind alle Kommunisten. Es ist kalt, man trägt graue Hüte und Schuhe mit Reißverschlüssen. Das ist eine Diktatur.«

Sie: »Wie nennen Sie dann ein Land mit einem Militär an der Spitze, einer Geheimpolizei, nur einem Fernsehsender und staatlicher Zensur?«

Er: »Das nenne ich Frankreich, Kleine. Nicht irgendein Frankreich – sondern das Frankreich de Gaulles!«

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

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Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella