Humorkritik | Oktober 2020
Oktober 2020
Aber wenn man vor einem Publikum steht und es mit einer neuen Idee zum Lachen bringt, dann hat man für diesen Moment die Kontrolle über das gesamte Bewusstsein. Niemand ist jemals so sehr bei sich selbst, als wenn er oder sie wirklich lacht. Das Publikum lässt sich fallen. Es ist ein zenartiger Moment. Alle sind total offen, ganz sie selbst, wenn diese Botschaft das Hirn trifft und das Lachen beginnt. In diesem Moment könnten neue Ideen eingepflanzt werden. Wenn dann eine Idee durchkommt, hat sie eine Chance zu wachsen.
George Carlin

Bleiben und weitertreiben
Hier ist noch einmal Ror Wolfs Nummer-1-Hit – für diejenigen, die das »wetterverhältnisse«-Gedicht noch nicht kennen, und für alle, die nicht genug davon bekommen können: »es schneit, dann fällt der regen nieder, / dann schneit es, regnet es und schneit, / dann regnet es die ganze zeit, / es regnet und dann schneit es wieder.« Natürlich findet dieses unauslotbare Meisterwerk in einer schönen Gedichtauswahl (»Alles andre: ungewiß«, Schöffling & Co.), die Wolfens ein halbes Jahr nach dessen Tod im Februar gedenkt, ebenso seinen Platz wie etliche der wunderlichen Waldmann-Gedichte: »waldmann stand an einer wand und fand / in der hosentasche seine hand.« Da kann man also komprimiert den ganzen kakelbunten Wolf-Kosmos besichtigen: Erotik, Mord und Totschlag, Existenzielles. Melancholie war immer schon der Urgrund der Wolfschen Komik, besonders in den letzten Jahren: »In einer Grube in gekrümmter Lage, / von Erde ganz und insgesamt bedeckt, / bemerken wir, wie schlecht die Erde schmeckt, / ihr Leute, jetzt, am Ende unsrer Tage.«
Dann aber kommt zum Glück noch das Nachwort, in dem der Herausgeber Michael Lentz jede Tristesse mit Aplomb hinwegbläst: »Die Semiose im alltagspragmatischen Sinne von Kommunikationen ist jedoch vielfach durch Komplexität wie zum Beispiel Überdeterminiertheit ›gestört‹, die die Aufmerksamkeit auf die ›Spürbarkeit der Zeichen‹ (Roman Jakobson) lenkt«, heißt es da ganz alltagspragmatisch und vermutlich zutreffend über Wolfs Lyrik und deren »eigene Diskursgrammatik«. Bzw. aber auch: »Eine Reihe von Gedichten können als Appropriationen gelesen werden, sie sind Palimpseste von Prätexten, die sie überschreiben.«
Leider kann ich den Appropriationenschöpfer Wolf, diesen »Beobachter des schnellen Lebens / und des Bleibens und des Weitertreibens / und des bleichen Reibens, des Beschreibens, / und des Hebens und des schönen Schwebens« (so er selbst), nicht mehr fragen: Zu gern wüsste ich, ob er solchen Über- oder vielmehr Zuschreibungsjargon genauso lustig gefunden hätte wie ich. Ich kann ihn nur noch zitieren: »schluß. wir sprechen jetzt von andren sachen, / sagt hans waldmann und beginnt zu lachen.«