Humorkritik | Oktober 2020
Oktober 2020
Aber wenn man vor einem Publikum steht und es mit einer neuen Idee zum Lachen bringt, dann hat man für diesen Moment die Kontrolle über das gesamte Bewusstsein. Niemand ist jemals so sehr bei sich selbst, als wenn er oder sie wirklich lacht. Das Publikum lässt sich fallen. Es ist ein zenartiger Moment. Alle sind total offen, ganz sie selbst, wenn diese Botschaft das Hirn trifft und das Lachen beginnt. In diesem Moment könnten neue Ideen eingepflanzt werden. Wenn dann eine Idee durchkommt, hat sie eine Chance zu wachsen.
George Carlin

Die einzige Jacke der Welt
Den Regisseur Quentin Dupieux habe ich an dieser Stelle bereits mit Lob bedacht und möchte dies anlässlich seines neuesten Werkes gerne wieder tun. Zwar wurde »Monsieur Killerstyle« (Originaltitel: »Le Daim«, internationaler Titel: »Deerskin«; wer sich den »deutschen« Titel ausgedacht hat, möge einmal in einer Winternacht dem Protagonisten des Films begegnen!) seuchenbedingt nur in wenigen Kinos gezeigt, dafür ist er seit kurzem als Stream, Blu-ray und DVD erhältlich.
Wer schon einen von Dupieux’ Filmen gesehen hat, weiß, dass diese mit Volten geradezu vollgestopft sind. Im jüngsten Werk wird allerdings zuerst eine Toilette vollgestopft, und zwar mit der alten Jacke des Protagonisten Georges (Jean Dujardin – oui, der berühmte Oscar-Gewinner). Der hat sich nämlich für einen Mondpreis eine neue bzw. sehr gebrauchte Wildlederjacke geleistet, weshalb die alte irgendwie entsorgt werden muss. Gratis zur Jacke gab es vom Verkäufer eine Videokamera (!), und mit beidem bewaffnet geht es nun in die französischen Berge, wo sich Georges, frisch getrennt und pleite, in ein Hotel einmietet. Bald aber stellt die Jacke Ansprüche, und keine kleinen: Die einzige Jacke der Welt wäre sie gerne, George hat also einiges vor. Hilfe erhält er von der Barkeeperin Denise, die eigenen Angaben zufolge »Pulp Fiction« in die richtige Reihenfolge gecuttet hat (»So ist der Film echt scheiße!«), weshalb er sich ihr gegenüber als Regisseur ausgibt. Gemeinsam produzieren die beiden fortan einen Film über die Unikatwerdung von Georges’ Jacke.
Dupieux hält seine Wackelkamera drauf, auch wenn nichts oder wenig passiert; lässt Denise und Georges zwischendurch selbst den Plot interpretieren und beendet die Geschichte schließlich mit einem sehr komischen Nonsens-Hitchcock-Moment – aber sehen Sie sich das alles bitte einfach selbst an, Sie werden es nicht bereuen.