Humorkritik | Oktober 2020
Oktober 2020
Aber wenn man vor einem Publikum steht und es mit einer neuen Idee zum Lachen bringt, dann hat man für diesen Moment die Kontrolle über das gesamte Bewusstsein. Niemand ist jemals so sehr bei sich selbst, als wenn er oder sie wirklich lacht. Das Publikum lässt sich fallen. Es ist ein zenartiger Moment. Alle sind total offen, ganz sie selbst, wenn diese Botschaft das Hirn trifft und das Lachen beginnt. In diesem Moment könnten neue Ideen eingepflanzt werden. Wenn dann eine Idee durchkommt, hat sie eine Chance zu wachsen.
George Carlin

Fad: Brennscherz und Striezelgag
Je tiefer die Sonne des Geistes steht, umso breitere Schatten werfen selbst sehr schlanke Gestalten – oder so ähnlich. Für das literarische Debüt einer österreichischen Kabarettistin, mit 383 Seiten alles andere als schmal geraten, gilt das erst recht: »Omama« kullerte wie ein übergroßer Zankapfel in diesen seltsam virtuellen Kultursommer und sorgte für Ärger, bevor es noch jemand gelesen hatte und wusste, ob es genauso zwietrachtträchtig sein würde wie seine Autorin Lisa Eckhart selbst. Wenn die nämlich, so zitiert der Buchumschlag den Deutschlandfunk, »den Saal betritt, schnappt das Publikum hörbar nach Luft«. Zu gerne würde ich einmal diesem Geräusch eines kollektiven Schluckaufs lauschen. Es könnte komischer klingen, als der vorliegende Roman sich liest.
Und das, obwohl Eckhart in ihrer pikaresken Familienaufstellung und ethnografischen Studie der Steiermark alles richtig macht; beziehungsweise alles exakt so, wie sie es von ihren Auftritten gewohnt ist: Es gibt die essayistische Abschweifung, mit der sich auf Kleinkunstbühnen mühelos Preise gewinnen lassen, etwa über den »Hass auf die Deitschen« oder über die rätselhafte Sexualität der Frau. Es gibt die taktische Engführung ähnlich klingender, aber Unterschiedliches bedeutender Begriffe (»Er bietet einen schönen Anblick, aber keine schöne Aussicht auf ein gemeinsames Leben danach«) oder assoziative écriture automatique (»Er hält nicht Wort, er hält den Mund«). Gibt es Fernsehen und freie Liebe, gibt es folglich »Empfang« und »Empfängnis« zugleich. Nach einem Schwangerschaftstest: »Bis eben war sie guter Dinge, jetzt ist sie guter Hoffnung«.
So geht’s, angereichert mit mutmaßlich deftigen Styria- oder Austriazismen wie »Brennsterz«, »Striezelgatsch« oder »Kropfitzer«, Seite um Seite dahin. Dieses Dahingehen ist das eigentliche Problem, nicht der homöopathische Tabubruch: Eckhart verfügt nur über ein kleines humoristisches Besteck, das ihr auf kurze Distanz gute Dienste leisten mag; auf der Langstrecke einer Erzählung versagt es. Mit jeder Seite entweicht der »Omama« ein wenig mehr heiße Luft. Beinahe möchte Mentz danach schnappen – hörbar.