Humorkritik | Oktober 2020

Oktober 2020

Aber wenn man vor einem Publikum steht und es mit einer neuen Idee zum Lachen bringt, dann hat man für diesen Moment die Kontrolle über das gesamte Bewusstsein. Niemand ist jemals so sehr bei sich selbst, als wenn er oder sie wirklich lacht. Das Publikum lässt sich fallen. Es ist ein zenartiger Moment. Alle sind total offen, ganz sie selbst, wenn diese Botschaft das Hirn trifft und das Lachen beginnt. In diesem Moment könnten neue Ideen eingepflanzt werden. Wenn dann eine Idee durchkommt, hat sie eine Chance zu wachsen.
George Carlin

Aus der Hirnforschung

Der Diogenes Verlag, Zürich, schickt mir eine Leseprobe (»Das Buch eines Sommers«) samt Lebenslauf: »Bas Kast, geboren 1973 in Landau/Pfalz, wollte Hirnforscher werden oder zumindest etwas Vernünftiges tun, wandte sich dann aber dem Schreiben zu … Seine Bücher beschäftigen sich mit großen Menschheitsthemen wie Liebe, Intuition, Kreativität oder Glück. Sein letztes Buch ›Der Ernährungskompass‹ wurde ein Weltbestseller.« Damit hätte es für Kast, diesen so unglücklich der Hirnforschung abhandengekommenen Menschheitsthematiker, gut sein können; aber wenn es dem Esel zu wohl ist, geht er Eis essen: »Ich weiß noch, wie mir vor vielen Jahren der Sommer meines Lebens bevorstand. Oder doch eigentlich hätte bevorstehen müssen. Das Abitur in der Tasche, das Studium noch in weiter Ferne, hätte jenes ultimative Abenteuer namens Leben endlich losgehen können. In meiner grenzenlosen Freiheit musste ich nur noch zugreifen, ich musste mich bloß noch hineinfallen lassen und es in vollen Zügen genießen.«

So klingt’s, wenn Ernährungsberater Romane schreiben; Romane, die große Publikumsverlage, nach neuen Weltbestsellern schielend, natürlich sofort drucken, und das Lachen beginnt, noch ehe man das Buch aufgeschlagen hat. Denn das Werk hat einen Untertitel und heißt vollständig »Das Buch eines Sommers. Werde, der du bist«, damit das Kastsche Stammpublikum, das nach in vollen Zügen genießbaren Informationen zu Liebe, Intuition, Kreativität oder Glück verlangt, zugreift und sich Diogenes in dem Glauben wiegen kann, das Etikett »Roman« werde etwas weniger peinlich, wenn der Rest ehrlich nach dem Ratgeberregal klingt.

Ich aber sage Euch: Für den Fall, dass Ihr die werden wollt, die Ihr seid, wenn Ihr den Schmarren kauft und freudig weglest – das seid Ihr längst. Und ich habe nicht nur einen Humorkompass.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann