Humorkritik | Dezember 2020

Dezember 2020

Sind wir nicht bis zur Komik arme Menschen?
Franz Kafka

Stulin, die Pausen-Poth

Keine Biographie, aber auch nicht fiktiv: So nennt die Comiczeichnerin Paulina Stulin ihre Graphic Novel »Bei mir zuhause« (Jaja Verlag). Mit 30 Jahren lebt Stulins Protagonistin Pauli immer noch in der Dachgeschosswohnung, in die sie mit 17 eingezogen ist; in ihrer Höhle, dem »sichersten Ort der Welt«, wie sie einmal sagt. Tagsüber arbeitet Pauli in einer pädagogischen Einrichtung für Jugendliche und abends an ihren Zeichnungen. Innen und außen, das sind wichtige Kategorien in diesem Buch, und Darmstadt ist mindestens Nebendarsteller: Mehr als einmal fühlte ich mich an Chlodwig Poths Serie »Last Exit Sossenheim« erinnert und an die Rolle, die darin die Straßen des westlichen Frankfurt spielen. Man möge mich nicht falsch verstehen: Stulins Strich ist ein ganz anderer als der Poths. Aber wie hier der Übergang zwischen zwei Szenen, zwischen Tag und Nacht mit Bildern der Stadt gestaltet wird – Dächer, Straßen, Häuserwände –, das erinnert schon sehr an den Stil des alten Meisters. Inspiriert ist Stulin aber auch vom Impressionismus, dessen Umgang mit Farben und Flächen sie auf die moderne Welt anwendet.

Es passiert nicht viel auf diesen 600 Seiten: Pauli verliebt sich, entliebt sich, geht auf Partys, nimmt Drogen, verreist, tut etwas für ihre Figur, denkt nach, arbeitet, unterhält sich mit den verschiedensten Menschen, geht auf Demos gegen Nazis … Huch, da passiert ja doch ziemlich viel, aber eben nicht vordergründig, sondern einfach so. Viele aktuelle Themen kommen vor: #metoo, Rechtsruck, Antifa, Depression und Drogenmissbrauch als Volkskrankheit.

Aber was ist daran jetzt eigentlich komisch? Nicht unbedingt die Pupswitze, obwohl es die auch gibt. Sondern eher, dass hier zeitgenössische Ängste und Träume hautnah sichtbar werden – und das auf ganz niedrigschwelligem Niveau: zum Beispiel, wenn Pauli einen auf der Straße stehenden Sessel in ihr Dachgeschoss hievt, dort merkt, dass er nicht reinpasst, und dann das Trumm sofort wieder hinunterschleppt, nur damit es nicht aus Bequemlichkeit auf ewig in ihrer Bude steht. Bei so was fühlt sich auch Ihr Mentz zu Hause.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Huhu, »HNA« (»Hessische/Niedersächsische Allgemeine«)!

Mit großer Verblüffung lesen wir bei Dir in einem Testbericht: »Frischkäse ist kaum aus einem Haushalt in Deutschland wegzudenken.«

Och, Menno! Warum denn nicht? Und wenn wir uns nun ganz doll anstrengen? Wollen wir es denn, HNA, einmal gemeinsam versuchen? Also: Augen schließen, konzentrieren und – Achtung: hui! – weg damit! Uuuund: Futschikato! Einfach aus dem eigenen Haushalt weggedacht. Und war doch überhaupt nicht schlimm, oder?

Es dankt für die erfolgreiche Zusammenarbeit und hofft, einen kleinen Denkanstoß gegeben zu haben, wenn nicht gar einen Wegdenkanstoß: Titanic

 Keine Übertreibung, Mathias Richling,

sei die Behauptung, dass die Ampel »einen desaströsen Eindruck bei jedermann« hinterlasse, denn in den vielen Jahren Ihrer Karriere, so schilderten Sie’s den Stuttgarter Nachrichten, hätten Sie es noch nie erlebt, »dass ohne jegliche pointierte Bemerkung allein die bloße Nennung des Namens Ricarda Lang ein brüllendes Gelächter auslöst«.

Aber was bedeutet das? »Das bedeutet ja aber, zu Mitgliedern der aktuellen Bundesregierung muss man sich nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen.« Nun beruhigt uns einerseits, dass Ihr Publikum, das sich an Ihren Parodien von Helmut Kohl und Edmund Stoiber erfreut, wohl immerhin weiß, wer Ricarda Lang ist. Als beunruhigend empfinden wir hingegen, dass offenbar Sie nicht wissen, dass Lang gar kein Mitglied der aktuellen Bundesregierung ist.

Muss sich dazu nichts Satirisches und keinen Kommentar mehr einfallen lassen: Titanic

 Sie, Romancier Robert Habeck,

Sie, Romancier Robert Habeck,

nehmen Ihren Nebenjob als Wirtschaftsminister wohl sehr ernst! So ernst, dass Sie durch eine Neuauflage Ihres zusammen mit Ihrer Ehefrau verfassten Romans »Der Tag, an dem ich meinen toten Mann traf« versuchen, fast im Alleingang dem darniederliegenden Literaturmarkt auf die Sprünge zu helfen. Könnten Sie sich als Nächstes das Zeitschriftensterben vorknöpfen?

Fragt Titanic

 Ganz, ganz sicher, unbekannter Ingenieur aus Mittelsachsen,

dass Du Deine Verteidigungsstrategie nicht überdenken willst? Unter uns, es klingt schon heftig, was Dir so alles vorgeworfen wird: Nach einem Crash sollst Du einem anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber handgreiflich geworden sein, nur um dann Reißaus zu nehmen, als der Dir mit der Polizei kommen wollte.

Die beim wackeren Rückzug geäußerten Schmähungen, für die Du nun blechen sollst, wolltest Du vor dem Amtsgericht Freiberg dann aber doch nicht auf Dir sitzen lassen. Weder »Judensau« noch »Heil Hitler« willst Du gerufen haben, sondern lediglich »Du Sau« und »Fei bitter«. Magst Du das nicht noch mal mit Deinem Rechtsbeistand durchsprechen? Hast Du im fraglichen Moment nicht vielleicht doch eher Deinen Unmut über das wenig höfische Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers (»Kein Ritter!«) geäußert, hattest Deinen im selben Moment beschlossenen Abschied von den sozialen Medien (»Bye, Twitter!«) im Sinn, oder hast gar Deiner verspäteten Freude über die olympische Bronzemedaille des deutschen Ruder-Achters von 1936 (»Geil, Dritter!«) Ausdruck verliehen?

Nein? Du bleibst dabei? Und würdest dafür sogar ins Gefängnis gehen (»Fein, Gitter!«)?

Davor hat fast schon wieder Respekt: Titanic

 Damit hast Du nicht gerechnet, »Zeit online«!

Als Du fragtest: »Wie gut sind Sie in Mathe?«, wolltest Du uns da wieder einmal für dumm verkaufen? Logisch wissen wir, dass bei dieser einzigen Aufgabe, die Du uns gestellt hast (Z+), erstens der zweite Summand und zweitens der Mehrwert fehlt.

Bitte nachbessern: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nachwuchs

Den werdenden Eltern, die es genau mögen, empfehle ich meinen Babynamensvorschlag: Dean Norman.

Alice Brücher-Herpel

 3:6, 6:7, 0:6

Der Volontär in der Konferenz der Sportredaktion auf die Bitte, seine Story in drei Sätzen zu erzählen.

Ronnie Zumbühl

 Hellseherisch

Morgen ist einfach nicht mein Tag.

Theo Matthies

 Süße Erkenntnis

Für jemanden, der Pfirsich liebt, aber Maracuja hasst, hält die Welt viele Enttäuschungen bereit.

Karl Franz

 Dilemma

Zum Einschlafen Lämmer zählen und sich täglich über einen neuen Rekord freuen.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
11.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
12.12.2023 Frankfurt, Stalburg-Theater Pit Knorr & Die Eiligen Drei Könige
15.12.2023 Oelde, Haus Nottbeck Heiko Werning & Brauseboys
18.12.2023 Frankfurt, Mousonturm Max Goldt