Humorkritik | Januar 2019

Januar 2019

»Es hat sich gewiss schon jedem Freund komischer und naiver Poesie die Betrachtung aufgedrängt, dass die moderne deutsche Literatur, doch sonst nach den verschiedensten Richtungen entwickelt, kaum einen Dichter aufweisen kann, dem man jene Prädikate, besonders aber das des Hochkomischen, uneingeschränkt zuschreiben könnte.«
Moritz Rapp, »Morgenblatt für gebildete Stände«, 1830

Deus ex Kloschüssel

Dass Gott höchstpersönlich in Filmen auftritt, ist selten geworden und hat sich hiermit auch erledigt, denn in »Killing God«, dem Kinodebüt der katalanischen Filmemacher Albert Pintó und Caye Casas, geht es dem Alten endgültig an den Kragen. Und mit ihm der gesamten Menschheit, deren filmische Vertreter sich als ziemlich hinfällige Tölpel erweisen, die dem unheimlichen Landstreicherzwerg, der plötzlich vor der Tür steht bzw. aus der Toilette kommt und behauptet, er sei der Allmächtige, zwar nach einem Gottesbeweis den Weltenschöpfer abkaufen, mit der Aufgabe, die Menschheit zu retten, aber von Anfang an überfordert sind. Dabei ist diese denkbar einfach gestellt: Gott erklärt der fünfköpfigen Silvestergesellschaft, die sich in einem abgelegenen Landhaus zum Feiern getroffen hat, mit dem Morgengrauen sei die gesamte Menschheit tot – mit Ausnahme zweier Glücklicher, deren Namen bis dahin in ein göttliches Notizheft (mit Osterhasen-Sticker drauf) einzutragen seien.

Leider sind die Figuren in »Killing God« – Ana, die ihrem Chef laut SMS »die wunderbarste Nacht meines Lebens« beschert hat; ihr Ehemann Carlos (Eduardo Antuña), der die SMS des Chefs ebenfalls gelesen hat; Carlos’ lebensmüder Bruder Santi, der gerade von der langjährigen Freundin zugunsten eines »Schwarzen mit einem riesigen Schwengel« verlassen worden ist, sowie Eduardo, der verwitwete Vater der beiden Brüder – nicht besonders interessant, was die Abgelebtheit und Dekadenz der Menschheit illustrieren mag, es dem Film aber sehr schwer macht, komische Momente zu entwickeln: Alles wirkt gezwungen. Nachdem die Familie etwas Merkwürdiges gehört hat, entspinnt sich beispielsweise folgender Wortwechsel. Santi: »Was genau habt ihr denn gehört?« – Ana: »Die Toilettenspülung!« – Santi: »Seid ihr ganz sicher?« – Eduardo: »Absolut sicher.« – Santi: »Vielleicht kam das vom Nachbarn.« – Ana: »Hier gibt’s keine Nachbarn.« – Carlos: »Vielleicht dein Chef, der dich besuchen kommt.« – Ana: »Fick dich doch, Carlos.« – Carlos: »Dich fickt ja schon dein Chef.«

So geht es fast den ganzen Film über, was ein bisschen schade ist, denn die Idee ist vielversprechend, der Gottzwerg eine dauernd Rotwein trinkende, fluchende und cholerische Nervensäge im Landstreicherlook, und der kleine Genretwist gegen Ende sehr hübsch und gelungen: »Killing God« wechselt nämlich unvermittelt aus dem Gott des Gemetzel-Modus in den »Gemetzel-Modus«. Was dabei herausspritzt, ist ab dem 27. Dezember in den deutschen Kinos zu begutachten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg