Humorkritik | Januar 2019
Januar 2019
»Es hat sich gewiss schon jedem Freund komischer und naiver Poesie die Betrachtung aufgedrängt, dass die moderne deutsche Literatur, doch sonst nach den verschiedensten Richtungen entwickelt, kaum einen Dichter aufweisen kann, dem man jene Prädikate, besonders aber das des Hochkomischen, uneingeschränkt zuschreiben könnte.«
Moritz Rapp, »Morgenblatt für gebildete Stände«, 1830
Schaffe, schaffe, Witzle zeichne
Der Stuttgarter Maler, Zeichner und Illustrator Michael Luz verbindet eine ausgeprägte Affinität zum Sprachspiel mit einer bemerkenswerten Selbstdisziplin. Zwar nicht buchstäblich jeden Tag, aber doch mit erstaunlicher Regelmäßigkeit produziert er seit vielen Jahren sogenannte »Tagesillustrationen«, und zwar in erster Linie fürs Netz. Darüber hinaus liegen sie aber auch in Buchform vor oder können, zum allerdings stolzen Preis, beim Künstler persönlich als gerahmtes Original erworben werden. Während die Lokaljournalisten, die über Luz’ kleine Meisterwerke berichten, irrtümlicherweise meist meinen, es handele sich um Karikaturen, weiß der Illustrator selbst es besser und spricht von Wortwitz-Zeichnungen.
Luz ist als Kalauerer absolut skrupellos. Das Spektrum seiner Kunst reicht von einfachen Gags wie dem Fisch, der ein Saiteninstrument spielt – es ist, natürlich, der »Zitheraal« – , oder der ganz offensichtlich augenkranken »Schielkröte« über schon deutlich anspruchsvollere Einfälle wie die Briefkuverts, die sich am »Umschlagbahnhof« herumtreiben, und den »Holznasenohrenarzt«, der gerade dabei ist, Pinocchio zu untersuchen, bis hin zu den todschicken Feuerwaffen, die man auf der Tagesillu »Pretty Wummen« sieht, sowie dem ja nun wirklich außerirdisch komischen Sprayer »Graf E.T«.
Bei einem Kunstprojekt von solch enormem Umfang wie den »Tagesillustrationen« – es umfasst beinahe 1500 Zeichnungen – können schwächere Arbeiten kaum ausbleiben. Gemeint sind damit allerdings nicht Insiderillustrationen wie »Göckelesmaja« oder »Fruchtsäule«, die der Schwabe Luz hin und wieder speziell für seine Mitstuttgarterinnen und andere Besucher des Cannstatter Wasens anfertigt, sondern eher Fälle, in denen sein Mut zum Kalauer tollkühn wird. Oder vielmehr zu wenig tollkühn: Die Tagesillu »Irokäse« ist beispielsweise tatsächlich so platt, wie ihr Titel befürchten lässt. Aber weder Ausrutscher dieser Art noch einige Drittel-, Halb- und Dreivierteldoubletten, die sich im monumentalen Gesamtprojekt ebenfalls finden, ändern etwas daran, dass dieser Zeichner große Luz auf mehr macht. Bevor aber nun auch ich mich noch zur Tollkühnheit hinreißen lasse, überzeugen Sie sich im Online-Atelier des Künstlers (www.michaelluz.de) bitte selbst davon.