Humorkritik | Dezember 2019
Dezember 2019
Ein Scherz hat oft gefruchtet, wo der Ernst nur Widerstand hervorzurufen pflegte.
August von Platen
Wunderbares Wachpersonal
Nach Werken über einen serienmordenden Autoreifen (»Rubber«) oder einen Alptraum mit tödlichen Fernsehgeräten (»Reality«) hat der französische Regisseur Quentin Dupieux nun kurz hintereinander zwei neue Filme gedreht. Mit »Die Wache« kommt am 12. Dezember der erste davon in die deutschen Kinos, und die nur 73 Minuten sind so erfreulich, dass man sich wünschte, der zweite (»Deerskin«) wäre etwas länger (er ist es nicht) oder käme wenigstens recht schnell zu uns (wohl nicht vor dem Frühjahr).
Dupieux, der Ende der 90er Jahre unter dem Pseudonym »Mr. Oizo« komische Elektromusik (u.a. »Flat Beat«) produzierte, kümmert sich auch in »Die Wache« kaum um die Seherwartungen des Publikums. Man kann allerdings auch sagen, er kümmert sich um nichts anderes: Sein Kino ist, auch wenn geübte Dupieux-Seher mittlerweile von den wirren Moves und Wendungen nicht mehr überrascht sein dürften, eine mitunter anstrengende Übung. Auch der neue Film entwickelt ein Eigenleben, will mit- und reinreden: Wo es vordergründig um eine spätabendliche Vernehmung auf einer Polizeiwache geht, bei der ein unkonzentrierter Kriminalbeamter einen hungrigen und müden Mordzeugen vernimmt, wird schnell klar, dass es Dupieux eigentlich ums Spiel mit Erzählzeiten, Erzählinstanzen und der Dekonstruktion einer inneren Filmlogik geht. Hier bläst der Kommissar den Rauch seiner Zigarette aus einem Loch im Bauch, ein anderer, stark verblödeter und einäugiger Polizist hat eine ansteckende Sprachstörung, die ihn zwingt, in jeden Satz ein »sozusagen« einzubauen; später tauchen Figuren, die der Zeuge erst auf der Wache kennengelernt hat, in dessen Erinnerungs-Rückblenden auf und beschweren sich über ihre Rolle oder wollen etwas über ihre Zukunft erfahren – während der Kommissar dem Zeugen Vorwürfe macht: »Ich habe mich bei einer Befragung noch nie so gelangweilt.«
An derartigem und noch viel größerem Schabernack, den ich aber aus Diskretionsgründen nicht verrate, hat Dupieux seine Freude; und ich die meine. Auch die durchaus nahegelegte Kritik an Hollywoods Zwang zum Plot-Twist sowie das Lächerlichmachen von Krimisujets sind sehr spaßig: Dupieux überführt etwa das in Krimis übliche »Miträtseln« ins Filmtheoretische bzw. Bescheuerte und installiert mitten im Film eine echte »vierte Wand«, entfernt sie und baut sie wieder auf.
Ich bin jedenfalls aus dem Kino gegangen mit der irren Hoffnung, die wirkliche Welt möge sich künftig ein bisschen mehr nach der Dupieuxschen richten. Lustiger wär’s – und der umgekehrte Wunsch ohnehin aussichtslos.