Humorkritik | Dezember 2019
Dezember 2019
Ein Scherz hat oft gefruchtet, wo der Ernst nur Widerstand hervorzurufen pflegte.
August von Platen
Würdeloses Wohnen
Unter dem Pseudonym »Mizzi Meyer« hat die Theaterautorin Ingrid Lausund die Drehbücher der Comedy-Serie »Der Tatortreiniger« (2011–2018) verfasst und ist für deren Situations- und Dialogkomik ausgiebig gelobt worden, auch von mir (TITANIC 2/16). Diesen September nun sind zwölf Monologe der Autorin im Verlag Kein & Aber wiederaufgelegt worden. Ich war gespannt: Entfalten Lausunds Texte auch gelesen die erhoffte Komik? Ohne Schauspieler und, schlimmer noch, ganz ohne dialogische Abwechslung? Sie entfalten! Und sogar derart gekonnt, dass man jeglichen Bühnenkontext bereits nach wenigen Seiten vergisst. Unter dem Titel »Bin nebenan« räsonieren zwölf grundverschiedene Menschen in beeindruckender Stilvielfalt – von weinerlich bis zynisch, von professoral bis geistig zurückgeblieben – über ihre Wohnverhältnisse: liebkosen ihre überteuerte Teekanne, hassen das geerbte Gemälde der Mutter oder einfach sich selbst. Zitierfähige Pointen finden sich keine, dafür aber potentiell komische Grundsituationen, die sich mit großer Ruhe immer weiter ins Lachhaft-Groteske steigern. Erwähnt sei etwa die Mitteleuropäerin in »Badezimmer«, die im Schaumbad liegt, und zwar mit einer Gute-Laune-Badekugel »Dream of Africa«. Flugs phantasiert sie sich genau dorthin, präziser gesagt: unter nackte afrikanische Männer, wartet »angstvergnügt auf die ersten Obszönitäten«, doch statt von den »Wüstenprinzen« brutal verführt zu werden, lamentieren diese lieber über ausgetrocknete Brunnen und Armutsprobleme. Die Schaumgeborene ist genervt, versucht, ins Unverbindlich-Erotische zurückzudriften, doch vergebens. Was bei anderen Autorinnen über eine grelle Deutsche-Mutti-Sexphantasie mit moralisierendem Unterton nicht hinausginge, spielt Lausund über volle 17 Seiten ebenso schmerzhaft wie humorvoll aus. So viel Ungemütlichkeit, so viel Unbehaustsein steckt in diesen Monologen, dass man am Ende überhaupt nirgendwo mehr wohnen will, außer zwischen den Sätzen von Ingrid Lausund. Vor allem zwischen den unkomfortablen.