Humorkritik | Dezember 2019
Dezember 2019
Ein Scherz hat oft gefruchtet, wo der Ernst nur Widerstand hervorzurufen pflegte.
August von Platen
Kein Meisterwerk
»Parasite«, ausgezeichnet u.a. mit der Goldenen Palme beim diesjährigen Filmfestival in Cannes, ist schwer einzuordnen. Bei Wikipedia firmiert der südkoreanische Film als »Familientragikomödie«, »Variety« bietet gleich ein gutes halbes Dutzend Genres an: »comedy, horror, drama, social commentary, creature feature, slasher, murder mystery« und lobt mal wieder »das Lachen, das im Halse stecken bleibt«. »Zeit Online« spricht von einem »gesellschaftskritischen Thriller«, Verena Lueken in der FAZ von einem »Hybrid«, das Quentin Tarantinos »Once Upon a Time … in Hollywood« in den Schatten stelle; das Prädikat »Meisterwerk« wird allgemein verliehen.
Von mir allerdings nicht.
Müsste ich es auf einen Begriff bringen, würde ich »Parasite« als Klassenkampfgroteske einstufen, mit formalen Anleihen beim Mystery-, Horror-, Comedy- und Slasher-Genre. Das Problem liegt aber nicht in der Mischung, die zu durchaus überraschenden Wendungen führt, sondern im Unvermögen, den Komödienanteil wirklich komisch wirken zu lassen. Gelacht habe ich wenig, und einen dicken Hals, in dem verschluckte Lacher steckten, hatte ich schon gar nicht. Das wiederum lag zum wenigsten an der originellen Geschichte einer südkoreanischen Flodderfamilie, die eine nette Parvenüfamilie unterwandert und am Ende zumindest zur Hälfte abschlachtet, denn das gibt mehr als genug für komische Situationen her: Motive wie der Geruch der Armut, der die Nasen der Neureichen beleidigt, werden konsequent durchgezogen; sorgfältig entwickelt ist auch das Set-Design, das eine vermüllte Souterrainwohnung mit einer dekorativ aufgeräumten Architektenvilla kontrastiert. Nein, mich hat gestört, dass die Typen, die der Autor und Regisseur Bong Joon-Ho vorführt, nicht stimmig sind: Die Unterschichtfamilie verhält sich mal naiv, mal geradezu diabolisch clever, und die Oberschichtsvertreter sind so einfach zu täuschen, dass man sich fragt, wie das Familienoberhaupt, ein geborenes Opfer jedes Betrügers, es überhaupt zu einem Vermögen gebracht haben soll. Dazu kommt, dass die meisten Darsteller zu stummfilmhafter Mimik tendieren und viele Dialoge durch Overacting und satirische Übertreibungen im Script an Witz verlieren; das fernöstliche Verhältnis zu Ironie scheint mir ein grundsätzliches Problem zu sein.
»Parasite« ist trotz dieser Schwächen ein bemerkenswerter Film. In seiner Struktur hat er tatsächlich einige Ähnlichkeiten mit Tarantinos Glanzstück »Once Upon a Time …in Hollywood«. Was »Parasite« dabei an Leichtigkeit fehlt, kann er allerdings nicht durch die Gewichtigkeit seines Themas wettmachen, das Regisseur Ho so zusammenfasst: »Für Menschen unterschiedlicher Herkunft ist das Zusammenleben nicht immer leicht.« Hätten seine Dialoge mehr von dieser Lakonie, er hätte womöglich ein Meisterwerk daraus gemacht.