Humorkritik | Dezember 2019
Dezember 2019
Ein Scherz hat oft gefruchtet, wo der Ernst nur Widerstand hervorzurufen pflegte.
August von Platen
Warum nicht mehr ein Neger?
Die Medienseite der »Süddeutschen Zeitung« hat sich über das TITANIC-Titelbuch, ja über TITANIC überhaupt gefreut, mindestens über die, die es mal gab: »Kein Wunder, dass TITANIC fast im Ausgaben-Takt Anwaltsschreiben provozierte und zu einem Brevier wurde, dem die Kirche und ihre Vertreter, Religion sowieso, überhaupt alles, was heute auf dem Minenfeld der Political Correctness weiträumig umfahren würde, herzhaft egal waren. Der Vorschlag zur Bundespräsidentenwahl: ›Warum nicht mal ein Neger?‹, der Roberto Blanco zeigte (Oktober 2003), käme nicht einmal mehr in den Möglichkeitspool für einen Titel-Entwurf.«
Wegen des Minenfelds der politischen Korrektheit, auf dem man, um im falschen Bild zu bleiben, alles umfahren muss? Oder doch wegen Herrschaften wie dem Bernd Graff (SZ), die nicht verstanden haben (verstehen wollen), dass das »Neger« auf dem erwähnten Titel nicht aus Spaß an jenem Jux da steht, der heute so unmöglich sein soll wie Witze auf Kosten von »Kirche und ihren Vertretern« (»Schickt diese Klimasau zur Hölle!«, Oktober 2019)? Zwar steckt der Witz tatsächlich im N-Wort, wie die Austauschprobe aufs Exempel beweist: »Warum nicht mal ein Schwarzer?« Doch besteht er als mustergültig satirischer exakt darin, dass Leute, die der Volksmund Neger nennt, ipso facto nicht Bundespräsident werden. Derselbe Witz würde heute, wo die Vokabel nicht mehr ganz so gängig ist, der PC-Vorwurf dafür um so gängiger, sich auf die genau andere, nämlich die Seite derer schlagen, die Ressentiment mit Anarchie verwechseln, und wäre dann nicht mehr Satire, sondern Nuhr. Wo Graff, für den Ihr Lieblingssatiremagazin »die alte BRD« verkörpert, vermutlich so gut aufgehoben ist wie die neue BRD im ganzen.