Humorkritik | November 2018
November 2018
Lachen ist auch so eine Kraft der Schwachen!
Bertolt Brecht
Rumble in the Jungle
Unter dem Begriff »tragikomisch« habe ich mir eigentlich nie etwas Bestimmtes vorstellen können. Er wird meist eher wahllos verwendet, vor allem dann, wenn ein Kunstprodukt gemischte Gefühle hinterlässt. Der Dokumentarfilm »Fly Rocket Fly« des Regisseurs Oliver Schwehm gehört aber wohl in diese Kategorie.
Schwehms bizarre Geschichte über den Stuttgarter Raketenbauer Lutz Kayser klingt wie eine Mockumentary: Aus der kindlichen Begeisterung des jungen Lutz für die Raumfahrt entsteht etwas, das am Ende sogar die Weltpolitik beschäftigt. Der Ehrgeiz von ein paar Stuttgarter Studenten, aus handelsüblichen Versatzstücken eine flugtaugliche Rakete zu basteln, führt nämlich in den Dschungel Zaires, wo auf einem menschenleeren Hochplateau ein Raketenstart gelingt, und zwar so gut, dass Kayser ins Visier von Politikern und Geheimdiensten gerät.
Komisch ist das, weil all diese Versuche – von den ersten Brennsätzen in einem Cannstätter Luftschutzbunker bis zum letzten Großeinsatz, bei dem die Rakete im Beisein des Diktators Mobutu nur einen kurzen Bogen beschreibt, bevor sie beim Aufprall im nahen Flussbett explodiert – lückenlos dokumentiert sind und von zahlreichen, inzwischen alt gewordenen Zeugen beglaubigt werden. Tragisch ist das Ende: Auf Mobutus Befehl hin muss die ganze schöne Basis demontiert werden, und bei der abschließenden Vergnügungsfahrt auf dem Fluss kommen alle Teilnehmer bis auf einen ums Leben.
Der Chef der OTRAG (»Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft«) Lutz Kayser, eine sehr zeittypische Mischfigur aus Gunter Sachs und Fitzcarraldo, Playboy und Pionier zugleich, starb 2017, ein Jahr vor Fertigstellung seiner Filmbiographie, auf einer winzigen Südseeinsel, wo er neue Pläne zur Eroberung des unendlichen Weltraums gewälzt hatte. »Fly Rocket Fly« ist eine Chronik seines Scheiterns und enthält sich jeden Kommentars. Das macht den Film so ansehnlich für mich, denn hätte er sich lustig gemacht über seinen tragischen Helden – er hätte keine komischen Momente mehr.