Humorkritik | Juli 2018
Juli 2018
Ich glaube nicht, dass es Kunst sein kann, wenn Verachtung das Mittel ist. Das gilt auch für Klamauk. Deutschsprachiger Humor war immer ein Mittel der Verächtlichmachung.
Marlene Streeruwitz
Mystische Mütze
Da das hohe Alter Schlaflosigkeit mit sich bringt, schalte ich in letzter Zeit manchmal noch um zehn Uhr abends den Fernseher ein. Fast immer entdecke ich um diese Uhrzeit irgendwo eine dieser meditativen Drittes-Programm-Gesprächsrunden, in der mindestens eine Frau mit dem Vornamen Bettina sitzt und ansonsten eine illustre Mischung aus Drittes-Programm-Prominenten. In diese Kategorie fällt auch Torsten Sträter, seiner Homepage zufolge »Autor, Vorleser und Poetry Slammer«, über den sich der Autor, Vorleser und Poetry Slammer »Sebastian 23« mit den Worten zitieren lässt: »Wenn Lachen Medizin ist, hätte ich als Apotheker Angst«; vermutlich kommuniziert man in diesen Kreisen sein Leben lang ausschließlich in solchen witzelnden Mini-Hypotaxen, mit denen man wahllos Buchcover, Teleprompter, Autoscheiben und das jeweilige Gegenüber bekleben kann.
Sträter selbst tritt ansonsten außer auf Poetry Slams und Kleinkunstbühnen auch im Fernsehkabarett auf, zum Beispiel in der aufrecht-deutschen Satiresendung »Extra 3« und beim Gossen-Don-Alphonso Dieter Nuhr, zu dessen bedächtig volkstümelndem Raunen Sträters Ruhrpottisieren sehr gut passt (Regionalklischees, die Klassiker der guten Laune). Schließlich kommt Sträter, wie ich aus seinen ständigen Teilnahmen an Drittprogramm-Gesprächsrunden gelernt habe, aus Dortmund und hat auch sonst sehr wenig zu erzählen.
Was mich an diesem grinsenden Schreckensprodukt der Eigendynamik kultureller Subsysteme wirklich fesselt, ist seine »Mütze« (Th. Bernhard). Wahrscheinlich wie der Dialekt als Markenzeichen wie auch als Koketterie mit dem eigenen Haarausfall gedacht, entfaltet der schwarze Kopfschmuck, je öfter man Sträter im Fernsehen sieht, seine ganz eigene Faszination, ja nachgerade mystischen Schauder: Es ist, als ob die Mütze ihn steuert, wenn er spricht. Ich möchte konkretisieren: Das hemmungslose Mützetragen Sträters hat nix mit Haarausfall zu tun, nix mit Markenzeichen, sondern deutet auf eine seltene Erkrankung hin: den offenen Hinterkopf, das unaufhaltsame In-die-Mütze-Suppen des Gehirns.