Humorkritik | Januar 2018
Januar 2018
Mein Vater hat sehr viel über sich selbst gelacht und meine Mutter wiederum sehr viel über meinen Vater.
Ivette Löcker

Schwankende Laune
Angesichts der Verfaßtheit der Welt ist schlechte Laune eine denkbar plausible Gemütsverfassung – und sollte sich eigentlich eines respektablen Rufes erfreuen. Weil das aber keineswegs der Fall ist, hat die Journalistin Andrea Gerk nun ein »Lob der schlechten Laune« (Kein & Aber) angestimmt. Ihrer Vermutung, schlechte Laune sei ähnlich »wie Heimweh, Sehnsucht oder Langeweile« zu »einer altmodischen Angelegenheit für komische Käuze« geworden, schließe ich mich an, auch beeindruckt mich die Fülle an Material, mit der sie der schlechten Laune zu positiver Presse zu verhelfen gedenkt, etwa mittels eines Zitats aus Jane Austens »Stolz und Vorurteil«: »Es gibt einen solchen Auftrieb, regt den Witz und Geist so an, wenn man eine Abneigung einmal gefaßt hat.« Nicht nur sind alle kulturgeschichtlich relevanten Miesepeter und Melancholiker vertreten (unvermeidlich: Schopenhauer, Th. Bernhard; aber auch der fast in Vergessenheit geratene W.C. Fields wird erfreulicherweise erwähnt), Gerk hat zudem Expertengespräche geführt, aus denen sie Anregendes wie die These des Philosophen Konrad Paul Liessmann mitnimmt: »Wer sich freut, denkt nicht.«
So weit, so lobenswert. Daß Gerks Buch auch Anlaß zur Unzufriedenheit bietet, hat verschiedene Gründe. Zum Beispiel vermag es die Autorin nicht, ihre Materialfülle zu strukturieren: Ein Kapitel ist zwar »Gereizt! Schlecht gelaunte Frauen« überschrieben, befaßt sich aber über weite Strecken mit schlecht gelaunten männlichen Kommissaren. Anstatt die Begriffe ordentlich zu klären und zu definieren, was schlechte Laune überhaupt ist, flottiert Gerk unter Abschweifungen und Wiederholungen durch ihr Themengebiet, hier einen Aspekt anreißend, dort eine Frage in den Raum stellend, auch die für mein Ressort interessanteste: warum uns nämlich (zumindest in Kunst und Unterhaltung) Grummler und Grantler besser gefallen und wir sie lustiger finden als wohltemperierte Frohnaturen. Dem auf den Grund zu gehen sollte sich doch lohnen, oder? Gerk hingegen kommt nicht über die These hinaus, schlechte Laune passe nicht in unseren »auf ökonomische Effizienz und emotionale Reibungslosigkeit angelegten Alltag«. Immerhin: »In der Abweichung von derartigen Alltagsnormen liege eine Quelle von Komik«, zitiert sie »Professor Winfried Mennighaus, der das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik in Frankfurt am Main leitet«. Die ob solcher Schwächen des Gerk-Werks aufkommende Übellaunigkeit wich bei mir jedoch angesichts unfreiwillig komischer Formulierungen (etwa der, es habe »ein Stimmungstief die Funktion, sich auf seine eigentlichen Fähigkeiten zu besinnen«, oder jener, derzufolge »die Stimme, wenn man erregt ist, wie ein Vulkan herausschießt«) immer wieder einer gewissen, dem Thema freilich nicht recht angemessenen Heiterkeit.