Humorkritik | Januar 2018
Januar 2018
Mein Vater hat sehr viel über sich selbst gelacht und meine Mutter wiederum sehr viel über meinen Vater.
Ivette Löcker

Lieblingsmeldung
Meine Nachricht des Jahres 2017 hebt mit folgendem Vorspann an: »Ein 22jähriger Student ist am Donnerstag abend in Bad Arolsen mit einem Schuhformer verprügelt worden. Er wollte sich Geld bei seiner Oma borgen, die ihn aber nicht erkannt hatte und einen Enkeltrick vermutete.« Wie die »Hessisch-Niedersächsische Allgemeine« vom 10. November unter Berufung auf das Polizeinachrichtenportal »112-magazin« weiter ausführt, »war der Student nach Angaben seiner Mutter von Kassel mit der Bahn nach Bad Arolsen angereist und wollte sich mit Freunden treffen. Auf dem Weg bemerkte der junge Mann, daß er sein Portemonnaie vergessen hatte. Er rief deshalb bei seiner Oma an, um sich das nötige Geld zu borgen. Diese nahm das Gespräch zwar an, legte den Hörer aber wieder auf. Das gleiche Szenario wiederholte sich noch einmal, ohne daß ein Gespräch zustande kam. Später klingelte er an der Haustür seiner Großmutter. Nachdem die Tür nicht geöffnet wurde, klopfte der Enkel energischer an der Tür – auch deshalb, weil er sich um die 82jährige sorgte. Nach dem zweiten Klopfen öffnete sich die Tür, und es rauschte laut ›112-magazin‹ aus der Dunkelheit ein Schuhformer auf den Kopf des Studenten nieder. Der Student ging in die Knie und lief dann davon.«
Vom brillant ausgeführten Prinzip der wachsenden Plausibilisierung des Unwahrscheinlichen über die raffinierte Dramaturgie, die erst nach vielen retardierenden Momenten für die befreiende Auflösung sorgt, bis hin zu faszinierenden Details wie dem ominösen Schuhformer – für mich stimmt hier einfach alles. Zumal die bewährte Erkenntnis nicht ausgespart bleibt, daß Komik oft im Schmerz wurzelt und ihre Opfer fordert: »Mit einer Platzwunde am Kopf mußte der 22jährige medizinisch versorgt werden.« Was die kleine Geschichte indes über das zerrüttete Verhältnis der Generationen erzählt, sollte uns noch lange beschäftigen.