Humorkritik | Januar 2018

Januar 2018

Mein Vater hat sehr viel über sich selbst gelacht und meine Mutter wiederum sehr viel über meinen Vater.
Ivette Löcker

MUK, OK

Marc-Uwe Kling (better known as Kleinkünstler mit Känguruh) hat einen Roman geschrieben: »QualityLand« (Ullstein), eine satirische Science-Fiction-Dystopie. Darin haben die Algorithmen eines omnivernetzten Turbokapitalismus die Herrschaft übernommen, das System erkennt Wünsche, bevor sie entstehen: QualityPartner etwa weiß, wer zu dir paßt, TheShop weiß, was du willst, bevor du’s selber weißt; der Beruf deiner Eltern bestimmt nicht nur deinen sozialen Rang, sondern auch deinen Namen. Eine Riesentüte von Ideen kippt Kling über seine wilde Mischung aus Romanhandlung, fiktiven Netzdokumenten und -kommentaren sowie Reiseführersequenzen; ein paar davon (der Reiseführer selbst oder die biomechanische Hirn-Web-Schnittstelle »Ohrwurm«) sind mir zu nah an Douglas Adams konstruiert. Anderes gefiel mir: Der Beruf der Internetkommentatorin, die nur noch miteinander agierenden Fake-Bots, die FeSaZu-Ernährung (»Reinheitsgebot: 1/3 Fett, 1/3 Salz, 1/3 Zucker«) oder die Shoppingroboter, deren einzige Daseinsbestimmung es ist, die Wirtschaft durch permanenten Tinnefkonsum zu stärken. Und zwischen all dem Sci-Fi-Geklingel buhlen auch noch zwei Handlungsstränge um Aufmerksamkeit: Peter Arbeitsloser, Maschinenverschrotter mit Herz für verkorkste künstliche Intelligenzen, will eine Ware reklamieren. Eine Beschwerdeodyssee beginnt, in Begleitung einer Truppe von dysfunktionalen Robotern, die in ihrer Drolligkeit wirken wie für Pixar gemacht, und führt ihn schließlich zum Chef von TheShop. Im zweiten Strang folgt man dem Wahlkampfteam von John of Us, der anstrebt, als erster Android Präsident von QualityLand zu werden, und dabei rätselhafte Sympathien für kommunistische Ideale errechnet.

Klings Stärke sind die Dialoge, die liegen dem Kleinkünstler. An der literarischen Finesse mangelt es noch. Überrascht hat mich der Nachhall des Romans, noch Tage nach der Lektüre: Als ich etwa in der Zeitung von Amazon-Zustellern las, denen zentralgesteuerte Türschlösser selbständig öffnen, dachte ich: Ach, das ist ja fast schon wie in QualityLand. Und so erkenne ich an, daß Kling die Auswüchse der Digitalgesellschaft konsequent fortgeschrieben hat. Ob er sich mit seinem Sci-Fi-Sammelsurium aus dem Beutel des Känguruhs freistrampeln kann, ist allerdings fraglich, zumal er das Beutelvieh sich in einem rosa QualityPad reinkarnieren läßt. Wie soll man den Roman also abschließend bewerten? Nun, in QualityLand lautet die Antwort auf alle Fragen: o.k.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt