Humorkritik | Juni 2017
Juni 2017
Über einen Witz lachen, den man gar nicht lustig findet, ist wie einen Orgasmus zu simulieren, aber ungleich riskanter. Denn das falsche Lachen hat meist zur Folge, daß gleich noch einer nachgeschoben wird.
Martin Knepper, Facebook

Bourgeoise Hundegeschichten
Die meisten dezidiert kommunistischen Filme finde ich in ihrem Avantgardismus schwer verdaulich; Julian Radlmaiers »Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes« ist eine angenehme Ausnahme.
Julian war nicht immer ein Hund. Vor seiner Verwandlung war er ein selbstmitleidiger arbeitsloser Regisseur, von den Förderstellen und vom Publikum, das seine »ästhetisch-politisch radikalen Filme« nicht zu schätzen wußte, verlassen, vom Arbeitsamt zum Schuften auf einer Apfelplantage verdonnert. Um die hübsche Camille ins Bett zu kriegen, deklariert er die Arbeitsmaßnahme kurzerhand zum Kunstprojekt um: Er wolle, behauptet er, einen Film über die ausbeuterischen Bedingungen auf der Plantage drehen, und Camille solle die Hauptrolle spielen. Doch Camille bleibt desinteressiert. Er versucht, sie mit marxistischen Phrasen zu umgarnen, gelangt aber immer stärker zu der Überzeugung, daß körperliche Arbeit besser Proletariern wie seinen beiden Kollegen Hong und Sancho vorbehalten sein sollte. Einmal pflückt man bei einer lustigen »Apfelolympiade« in Zweierteams Äpfel, den Gewinnern winkt dabei ein Preis in Form eines 20-Euro-Amazon-Gutscheins. Über allem wacht die autokratische Plantagenbesitzerin, Frau Gottfried. Als diese einem Unfall zum Opfer fällt, steht der Selbstverwaltung der Plantage und Julians Glück eigentlich nichts mehr im Wege – doch Camille folgt, anstatt endlich mit ihm zu schlafen, lieber Hong, Sancho und einem stummen Mönch in das nun vermeintlich kommunistische Italien. Hong und Sancho landen schließlich im Gefängnis, Julian bei den venezianischen Filmfestspielen.
Radlmaier hat, man merkt es, die Neigung, listige Brüche einzubauen und seine Protagonisten ihre Rollen hinterfragen zu lassen – wenn auch Hongs Einwand, daß sie als Filmfiguren gar nicht im Gefängnis sitzen müßten, dessen Wärter ziemlich kaltläßt. Wir lernen: Avantgardistische Kunst ist nur möglich, wenn der Kunstbetrieb sich selbst vorführt, und pseudorevolutionäre Schwätzer werden bestraft. Julian verwandelt sich am Ende in den Hund, der er innerlich schon zu Anfang war.
»Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes« ist sowohl ein kommunistischer Film als auch ein Film über den Kommunismus, der Roger Ebert wie auch Guy Debord erfreut hätte. Und, viel wichtiger: mich erfreut hat. Am 8. Juni ist Kinostart, dann können Sie sich mitfreuen.