Humorkritik | März 2016

März 2016

»Das Lachen ist der Regenbogen, / der dunklem Grund des Sturmes entsteigt.«
Anastasius Grün

Ironie mit Sahne

Als große Humoristin, gar als Verfasserin von Hochkomik ist Jane Austen nicht bekannt; daß sie ihre Erzählungen aber mit feiner Ironie salzte sowie mit freundlicher Distanz und spöttischer Hingabe servierte: dafür schon. Etwa, wenn im Roman »Emma« die Titelheldin sagt: »Ich wollte, wir hätten einen Esel. Es wäre doch toll, wenn wir alle auf Eseln geritten kämen: Jane, Miss Bates und ich – und mein caro sposo zu Fuß nebenher.« Oder wenn in »Anne Elliott« zu lesen ist: »Anne und Wentworth saßen also wirklich auf demselben Sofa, denn Mrs. Musgrove hatte ihm bereitwilligst Platz gemacht; sie waren nur durch Mrs. Musgrove getrennt, die allerdings kein unbeträchtliches Hindernis darstellte.« Oder, eins noch, aus »Verstand und Gefühl«: »Mr. Palmer verfocht die bei seinen Geschlechtsgenossen übliche, aber für einen Vater unmögliche Ansicht, alle Säuglinge sähen gleich aus; ja er konnte nicht einmal dazu gebracht werden, das schlichte Faktum anzuerkennen, daß es das schönste Kind von der Welt sei.«

Jane Austen träufelt ihren sanften Spott nicht nur über Liebeswerben, Heiratshändel und Eheleben, sondern über die Gesellschaft und das Menschengeschlecht überhaupt, denn »wozu sind wir wohl da, als uns über unsere Nachbarn lustig zu machen und über sie zu lachen?« So jedenfalls lautet die Frage in »Stolz und Vorurteil«. Die Antwort darauf gibt Austen in den Briefen an ihre Schwester und Herzensvertraute Cassandra deutlicher als in ihren Romanen, wenn sie etwa stichelt: »Miss Fletcher hat zwei liebenswürdige Charakterzüge – sie bewundert Camilla und trinkt ihren Tee ohne Sahne.« Sie lästert: »Die Todesanzeige von Mrs. Wyndham Knatchbull haben wir gesehen. Ich hatte ja keine Ahnung, daß irgend jemand sie gern hatte.« Sie ist boshaft: »Wir trafen Dr. Hall. Er war in Trauer. Entweder ist seine Mutter, seine Frau oder er selbst gestorben.« Und sie wird grundsätzlich: »Die Menschen sollten nicht gar zu liebenswürdig sein. Das erspart mir die Mühe, sie allzu sehr zu mögen.«

Es ist müßig nachzusinnen, ob Jane Austen ihrer Spottlust auch in den Romanen die Zügel hätte schießen lassen sollen. Es gilt, was in »Die Abtei von Northanger« steht: »Wer an einem guten Roman keine Freude findet, muß unerträglich dumm sein.« Wer aber erst noch auf den undummen Geschmack kommen muß, kann sich jetzt eine aus ironischen, spöttischen und freilich auch ernsten Austen-Auszügen gebildete Anthologie zu Gemüte führen: eine von Bettina Eschenhagen kenntnisreich zusammengetragene Blütenlese, die nur leider »Zärtlichkeit des Herzens. Mit Jane Austen durch das Jahr« benannt ist und nicht in den Zitaten, aber in Titel, Bebilderung und Seitengestaltung (mit Zierranken als Schmuckleisten!) arg süßlich geraten ist.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hände hoch, Rheinmetall-Chef Armin Papperger!

Laut einem CNN-Bericht lagen deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten Hinweise zu russischen Plänen für einen Angriff auf Sie vor. So etwas nennt man dann wohl »jemanden mit seinen eigenen Waffen schlagen«!

Mörderpointe von Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

 Hi, Daniel Bayen!

Sie sind sehr jung und waren mit Ihrer Firma für Vintage-Klamotten namens Strike vorübergehend sehr erfolgreich. Die ist jetzt pleite, machte aber zeitweise 2,9 Millionen Euro Umsatz. Der Bedarf war so groß, dass Correctiv-Recherchen zufolge sogar massenhaft Neuware zwischen die Secondhand-Bekleidung gemischt wurde. Auch Sie räumten demnach ein, gefälschte Ware geordert zu haben. Allerdings, so behaupten Sie, nur, um Ihren »Mitarbeitern zu zeigen, wie man gefälschte Ware identifiziert und aussortiert«.

Aber Bayen, Ihre Expertise besteht doch darin, neue Sachen auf alt zu trimmen. Also versuchen Sie bitte nicht, uns solche uralten Tricks zu verkaufen!

Recycelt Witze immer nach allen Regeln der Kunst: Titanic

 Gesundheit, Thomas Gottschalk!

In Ihrem Podcast »Die Supernasen« echauffierten Sie sich mit einem fast schon dialektischen Satz zu Ihrer eigenen Arbeitsmoral über die vermeintlich arbeitsscheuen jungen Leute: »Es gab für mich nie eine Frage – ich war nie in meinem Leben krank, wenn ich im Radio oder im Fernsehen aufgetreten bin. Ich habe oft mit Schniefnase irgendwas erzählt.«

Das hat bei uns zu einigen Anschlussfragen geführt: Wenn Sie »nicht krank«, aber mit Schniefnase und im Wick-Medinait-Delirium vor einem Millionenpublikum zusammenhanglose Wortfetzen aneinandergereiht haben – war das nicht eine viel dreistere, weil höher bezahlte Form der Arbeitsverweigerung als eine Krankmeldung?

Wünscht Ihnen nachträglich gute Besserung: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

 Dialog auf Augenhöhe

Zu meinen Aufgaben als Marketingexperte in einem modernen Dienstleistungsunternehmen gehört es unter anderem, unzufriedene Kunden zu beschwichtigen. Vor kurzem beschwerte sich einer von ihnen darüber, dass wir in unseren Texten immer dieselben Bausteine verwenden. Die Mail ließ mich ganz irritiert zurück. Ein Glück, dass wir für genau solche Anfragen gleich fertige Antworten haben.

Andreas Maier

 Beim Aufräumen in der Küche

Zu mir selbst: Nicht nur Roger Willemsen fehlt. Auch der Korkenzieher.

Uwe Becker

 Räpresentation

Als Legastheniker fühle ich mich immer etwas minderwertig und in der Gesellschaft nicht sehr gesehen. Deshalb habe ich mich gefreut, auf einem Spaziergang durch Darmstadt an einer Plakette mit der Aufschrift »Deutscher Legastheniker-Verband« vorbeizukommen. Nur um von meiner nichtlegasthenischen Begleitung aufgeklärt zu werden, dass es sich dabei um den »Deutschen Leichtathletik-Verband« handele und und umso teifer in mein Loch züruckzufalllen.

Björn Weirup

 Guesslighting

Um meine Seelenruhe ist es schlecht bestellt, seit mich ein erschütternder Bericht darüber informierte, dass in Hessen bei Kontrollen 70 Prozent der Gastronomiebetriebe widerlichste Hygienemängel aufweisen (s. Leo Riegel in TITANIC 07/2022). Neben allerhand Schimmel, Schleim und Schmodder herrscht allüberall ein ernsthaftes Schadnagerproblem, die Küchen sind mit Mäusekot nicht nur kontaminiert, sondern praktisch flächendeckend ausgekleidet. Vor lauter Ekel hab ich sofort Herpes bekommen. Nun gehe ich vorhin in meine Küche, und auf der Arbeitsplatte liegen grob geschätzt 30 kleine schwarze Kügelchen. Ich bin sofort komplett ausgerastet! Zehn hysterische Minuten hat es gedauert, bis mir klar wurde, dass der vermeintliche Kot die Samen eines dekorativen Zierlauchs waren, der einen Blumenstrauß krönte, den eine liebe Freundin mir geschenkt hat. Ich hätte ihn einfach nicht noch einmal anschneiden sollen … Hysterie off, Scham on.

Martina Werner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster