Humorkritik | April 2016

April 2016

»Der Bonze des Humors ist eine lachende Buddha-Statue, die auf dem Gelände des Parkplatzes beim ›Kaffee Worpswede‹ (Kaffee Verrückt) steht.«
www.kultur-teufelsmoor.de

fernbedienung bums

Nicht überall, wo »Witz« draufsteht, ist auch welcher drin; das gilt für Kleinstädte (man meide Witzenhausen) ebenso wie für Literaturmagazine. Auf dem Titel der jüngsten Ausgabe der »Akzente« (Hanser) steht groß »WITZ«, was laut Editorial »Witz in jedem Sinne« meint – hatten doch die eingeladenen Beitragenden »freie Hand, was Spielart des Witzes, seine formale Ausprägung und das jeweils bevorzugte Genre angeht«. Nun ist »Witz« ja ein weites Feld. Wenn aber ein Humorkritiker wie ich auf dem hier beackerten so gut wie keinen fruchtbaren Krumen findet, kann es sich bei der »Akzente«-Witzauslese kaum um Witz »in jedem Sinne« handeln: Ob sie sich des Witzes in Theorie oder Praxis annimmt, sie ist unkomisch und einseitig.

Wenn z.B. Krassimira Kruschkova in ihrem Beitrag »The gift of humor« mit Sentenzen à la »Komik wie Performance fokussieren die Aporien der Konventionen« aufwartet, dann ist das nicht mal unfreiwillig komisch, sondern nur jene Jargon-Normerfüllung, wie sie philologisch Werktätige offenbar meinen leisten zu müssen. (Oder entgeht mir nur der subtile Witz, wenn die K. zitatkritisch zitiert: »In der zitatkontaminierten Postmoderne – so Umberto Eco in der Nachschrift zum ›Namen der Rose‹« … ?)

Eindeutig unlustig in jedwedem Sinne sind aber die vielen Gedichte, die in dieses Heft hineingeraten sind und Strophen aufweisen wie: »die weißen bumsenden Karnickel bumsen / und bums die bumsen sich und alles platt / ganz ohne fernbedienung bums« (Els Moors). Da hilft es auch nichts, wenn Hendrik Jackson mildernde Umstände heischt, indem er sich vorsorglich herausredet, seine »20 Knittelverse« seien »geschrieben aus Anlässen von Trunkenheit und Verdruß«; und es hilft noch weniger, wenn er zwar Komikgeschichtskenntnisse andeutet, dann aber zu meinem Verdruß trunken fabuliert: »Die schärfsten Kritiker des Elchteichs / aßen Roger Whittakers Selchfleisch.« Nein, nein.

Wie all das zustande kam, erklärt sich durch die Person der »Akzente«-Gastherausgeberin: Monika Rinck steht als praktizierende Lyrikerin und Verlegerin des Hauses kookbooks in der Tradition der experimentellen Literatur, wie sie in den späten 1950er Jahren als Avantgarde galt – etwa in Gestalt der »Konkreten Poesie«, die schon damals recht bemüht anmutete. Daß aber noch heute, im Jahr 100 nach Dada-Gründung, akademisch bestimmt hochkompetente Menschen ihre Texte schon allein deshalb als Komik-Performance ausgeben, weil sie deren Sprache gängigen Kommunikationszwecken entziehen, finde ich ausgesprochen witzlos.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella