Humorkritik | September 2015
September 2015
»Dies ist mein wichtigstes Wort an euch: Freude! Seid keine traurigen Menschen.«
Jorge Mario Bergoglio
Slapstick am Sinai
Daß es gar nicht so leicht ist, mit Heilsgestalten Komik zu erzeugen, haben auch die Spitzenkräfte von Monty Python erfahren: Wenn jemand ein »gutes Leben« vorlebt, dann riskieren die, die sich drüber lustigmachen, als inhuman zu gelten. Nicht von ungefähr heißt der Held aus »Life of Brian« auch Brian und nicht Jesus. Was aber, wenn im heiligsten aller Bücher selbst drollige Sachen passieren? Vor über zwanzig Jahren schrieb Hans Schmoldt seine im Reclam-Verlag erschienene Einführung in das Alte Testament und faßt dort vorbildlich-sachlich zusammen, was sich laut der Überlieferung des Pentateuch am Sinai zugetragen haben soll: »Am Sinai wird Moses mehrfach auf den Berg hinaufkommandiert und steigt mehrfach wieder herab: Er steigt zu Gott hinauf (2. Mose 19,3); in 19,7-8a wird vorausgesetzt, daß er herabgestiegen ist; er steigt vom Berg herab (19,14); er steigt auf den Berg hinauf (19,20); er steigt herab (19,27); jetzt (!) verkündet Gott die zehn Gebote (20,1-17); Moses nähert sich Gott, steigt also hinauf (20,21); er soll zu Jahwe hinaufsteigen (24,1); er steigt auf den Berg hinauf (24,13b); er steigt auf den Berg hinauf (24,15a).« Lakonisch folgert Schmoldt: »Dieses unnötige, ja sinnlose Hin und Her zwingt zu der Annahme, daß hier mehrere Bearbeiter, Ergänzer am Werk waren«. Gut möglich. Mich aber erfreut vielmehr meine eigene Exegese: daß der Jahwist schlicht Gefallen hatte an der Vorstellung, ein wie Charlton Heston aussehender Moses steige wie toll immer wieder auf einen Berg, auf dem er schon längst droben ist, und kriegt die Gesetzestafeln just dann in die Hand gedrückt, wenn er sich eigentlich gerade unten aufhält. Wenn ich, in meinem gleichfalls annähernd biblischen Alter, noch einen Pfarrer empfehlen soll, dann den gelehrten Hans Schmoldt mit seinem makellosen Timing.