Humorkritik | September 2015
September 2015
»Dies ist mein wichtigstes Wort an euch: Freude! Seid keine traurigen Menschen.«
Jorge Mario Bergoglio
Dachschadenfroh
Es ist nicht meine Art, andere Humorkritiker zu kritisieren, doch für Oliver Polak mache ich eine Ausnahme. Ich wußte bisher nur, daß er Jude ist und damit konkurrenzlos im deutschen Stand-up-Wesen. Aus der Süddeutschen Zeitung habe ich nun erfahren, daß Polak in Papenburg geboren wurde, dem nördlichen Vorposten des stramm katholischen Emslands. Ob dieses Schicksal schuld daran ist, daß er vor gar nicht langer Zeit zwei Monate »in der Psychiatrie« verbracht hat, stand dort nicht.
Im folgenden Interview machte Polak einen etwas wirren Eindruck. Von »gutem Humor« verlangte er »eine gewisse Wärme«, die »den Deutschen« ebenso fehle wie »Mut« und »persönlicher Einsatz«. Statt dessen bewundern wir angeblich Komiker, »die etwas können« – er meint artistische Fähigkeiten –, und lachen meist aus »Schadenfreude«. Ganz anders als die Angelsachsen, die »gar kein eigenes Wort« dafür hätten.
Die Argumentation erinnert mich an den Streit um die Ölvorkommen im türkischen Festlandsockel, auf die Griechenland Anspruch erhob mit dem Argument, daß in der türkischen Sprache nicht einmal ein eigenes Wort für »Festlandsockel« vorhanden sei.
Für »Schadenfreude« finde ich hingegen in meinem Wörterbuch gleich vier englische Begriffe: glee, gloating, mischievousness und malicious joy. Ein anderer Diktionär nennt noch drei weitere Synonyme: spitefulness, luls, epicaricacy. Kein Wunder, daß es so eine große Auswahl gibt: Schließlich verdanken britische Komiker von Chaplin bis Gervais dieser Art herzloser Komik ihre größten Erfolge. Das muß ein deutschsprachiger Stand-up-Komiker wie Oliver Polak zwar nicht wissen – aber das glatte Gegenteil zu behaupten, steht ihm auch nicht besonders gut an.