Humorkritik | November 2015
November 2015
»Jesus lacht nicht, zumindest wird es nicht berichtet. Es steht geschrieben, daß er weint, aber nicht, daß er lacht.«
Martin Mosebach

Wenn Spezialisten nicht lachen
Manche Dinge sind nicht gut oder schlecht, sondern beides. Gut ist, daß der Fischer-Taschenbuchverlag vor einiger Zeit eine Reihe mit Komik-Anthologien ins Leben rief, in der seit 2008 »Das komische Lesebuch«, »Nun lacht die Welt« und »Lach, wenn du weise bist« erschienen sind. Gut, daß die Herausgeber nicht nur deutsche, sondern Autoren aus aller Herren Sprachen berücksichtigten und Texte vom Altertum bis nahezu in die Gegenwart aufnahmen. Gut auch, daß Autoren mit von der Partie sind, die allenfalls Spezialisten bekannt sein dürften: Luigi Pulci, Margarete von Navarra oder Bonaventure des Périers. Gut schließlich, daß es Entdeckungen zu machen gibt und man beispielsweise von Tobias Smollett lernen kann, »Wie man einen Medikus röstet«.
Weniger gut ist, daß viele der Entdeckungen kaum Anlaß zum Lachen bieten und die Mehrzahl der nur den Spezialisten bekannten Autoren bei jenen gut aufgehoben waren; war doch selbst einer der Herausgeberinnen laut Eigenangabe »selten zum Lachen zumute, als sie diese Anthologie zusammenstellte«. Womöglich wenden sich die bisher drei Anthologien gar nicht an den Durchschnittskonsumenten, der lachen will, sondern an angehende Fachleute, die über dieses seltsame Phänomen des Komischen nachdenken wollen. Dann handelt es sich eigentlich um Materialsammlungen fürs Seminar, was erklären würde, warum sie gut und schlecht zugleich sind, anders gesagt: akademisch eher wertvoll, aber kaum lustig.
Lustiger ist die vierte, im September 2015 erschienene Anthologie, trotz ihres Uff-Titels »Humor ist, wenn man trotzdem lacht«. Gleichwohl hat auch sie nicht nur gute Seiten. Zwar haben es einerseits ironische Klassiker wie Melvilles »Bartleby«, Nabokovs »Pnin« und Thomas Manns »Lotte in Weimar«, haben es Cervantes, Shakespeare, Heine und Lewis Carroll in die Auswahl geschafft, dafür aber gibt es sehr wenig Neues und Überraschendes: Etwas mehr als der Humorist Karl May hätte es schon sein dürfen. Und daß die nähere komische Gegenwart ab 1945 nur spärlich vorkommt, ja nur durch die Dichtersleut’ Rühmkorf, Jandl und Gernhardt vertreten ist, die so mausetot sind wie alle anderen Autoren der Anthologie: da braucht’s schon Humor, um das komisch zu finden.