Humorkritik | November 2015
November 2015
»Jesus lacht nicht, zumindest wird es nicht berichtet. Es steht geschrieben, daß er weint, aber nicht, daß er lacht.«
Martin Mosebach
Ein Trost
Bei manchen Büchern ist man schon um ihre schiere Existenz froh. Mich läßt zum Beispiel der Autor Stefan aus dem Siepen und sein »Buch der Zumutungen« (dtv) sehr, sehr heiter zurück. Denn würde der Buchmarkt so brutal funktionieren, wie man ihn sich manchmal vorstellt, gäbe es dieses Buch nicht. Es handelt sich um eine Sammlung aphoristischer Weltbetrachtungen, keine länger als eine Seite, die in ihrer kurzsichtig-blinzelnden Verschlafenheit, ihrer outriert gehobenen Sprache und stolzen Weltenfremde völlig aus der Zeit gefallen scheint. Da wird professoral geulkt und Feinsinn geübt, daß es kracht (aber nicht zu laut), da werden ganz schamlos Goethe und der »Steppenwolf« zitiert, wird »freilich« gesagt und »der von der Leine gelassene Sexus« beklagt, als sei das 19. Jahrhundert nie zu Ende gegangen. Bedächtig vorgetragene Allerweltsweisheiten (»Bettler erinnern daran, daß wir noch immer weit vom Ziel entfernt sind«) stehen neben abgedroschenem Bildungsstroh (»Manche meinen, daß Beethoven erst dann den Gipfel seines Genies erklomm, als er taub geworden war«) und renitenter Verachtung des Kleinbürgertums (»Wer lautstark und ungeniert im Zugabteil telefoniert« usw., blabla). Dabei ist es gar kein rührender Zausel, der da schwatzt, sondern ein Romancier von gerade einmal 51 Jahren, der, beim Auswärtigen Amt beschäftigt, schon überall war und doch nirgends gewesen ist – und dessen sicher grundsolides Romanhandwerk die Süddeutsche in pflichtschuldigen »Bann« zog. Zugemutet wird einem hier allenfalls der völlig unbegründete Bildungsdünkel des Autors (»ich als Jurist«, »schon die alten Griechen«), der in der Anlehnung des Titels an Pessoas geniales »Buch der Unruhe« seine eitle Apotheose findet. Ansonsten fällt man, vom Siepenschen Gesäusel eingelullt, in die Arme jenes Gottes, den die alten Griechen Morpheus nannten, und freut sich über einen Buchmarkt, der sich solchen Unfug trotz allem noch leisten kann.