Humorkritik | November 2015
November 2015
»Jesus lacht nicht, zumindest wird es nicht berichtet. Es steht geschrieben, daß er weint, aber nicht, daß er lacht.«
Martin Mosebach
Luises Lob
Daß Luise Boege es in ihrem Roman »Kaspers Freundin« (Reinecke & Voß) schaffe, »von Satz zu Satz immer neu zu überraschen«, wie die Süddeutsche fand, die das Debüt, man staune, gleich zweimal begeistert rezensierte, ist freilich Unsinn; denn der Sound dieser Liebes- und Vampirgeschichte als »Schauernovelle« (Verlag) ist so kokett redundant und artig verrutscht, daß ich das Literaturinstitut (Leipzig), an dem Boege studiert hat, Satz für Satz in Auge und Ohr hatte: »Kasper und seine Freundin sprechen von Keksen und von Katzenkindern, die man sich ins Haus holen wird, sobald es kälter werden wird, und zwar in rauhen Mengen, die Katzen: Sobald es noch kälter, noch viel, viel kälter, sobald es also kalt werden, sobald es kalt sein wird, dann. Und mit Kaffee-und-Keks-Köpfen sehen sie sich die Abendnachrichten an.«
Das ist nicht ohne artistischen Wert, zumal im Metaphorischen, das vom versiert gebrochenen Märchentantenton profitiert. Andererseits ist in dieser Ironie, indem sie so gut wie keine Modulation erlaubt, eine gewisse Penetranz fest eingebaut, denn Kunst und Künstlichkeit sind nun einmal Nachbarinnen (und wie ein abermals ironischer Rekurs auf diesen Umstand wirken die gedichtartigen Umbrüche zur Kennzeichnung direkter Rede); und beschädigt das zumindest und in jedem Fall den Anspruch »halsbrecherischer Komik« (Verlag). Denn die Figuren haben alle Mühe – eigentlich: keine Chance –, sich von der sie ironisch beschwörenden Instanz zu lösen, und so wie jene Papier bleiben (und, einer möglichen Lesart folgend, auch bleiben sollen), wirkt Komisches wie dekretiert. Überhaupt ist, soweit es mich betrifft, Überraschungslosigkeit die Erzfeindin komischen Bemühens, und der Erzählerin manieristisch plapperndes Gleichmaß lassen ihre Pointen wie ausgesetzt im Regen stehen.
Wer aber nun nicht unbedingt lachen müssen will, der darf sich die Metareferenz auf S. 32 gern zu Herzen nehmen: »Das ist ein guter Text, / sagt sich Kaspers Freundin, / nicht perfekt, aber talentiert, was ja viel wichtiger ist, / sagt sie sich, / und geht voll Zuversicht zu ihrer zweiten Therapiestunde. / Ja, loben wird man mich dafür!« Wenn Boege beim nächsten Mal dem Unterschied zwischen »scheinbar« und »anscheinend«, der anscheinend selbst literaturinstitutionell keine Rolle mehr spielt, etwas mehr Aufmerksamkeit schenkte, hätte ich sogar noch weniger auszusetzen.